Schwerkraft

Eine Kleinfamilie quert im Dunkeln einen Zebrastreifen. Sie gemächlich, er auch. Aber das Kind, es hüpft. Hops, hops, hops – von einem Bein aufs andere. Lassen wir mal dahingestellt, dass das bei eisigem Untergrund sicherlich nicht die ratsamste Fortbwegungsart sein mag. Von wegen der Glätte und so. Aber es ist  unbeschwert. Hüpf. Sorgenfrei. Hüpf. Mit sich und der Welt  im Reinen und  voller Lebenslust, die es sicher nicht in Worte fassen könnte. Ein schöner Anblick. Nicht mal selten. Und wird doch von uns kaum roch richtig wahrgenommen.

Wir Erwachsennen hüpfen nicht. Auf keinen! Wir schreiten. Gehen. Stolzieren. Warum haben wir das Hüpfen verlernt? Ziehen uns die Alltagssorgen so sehr zu Boden, dass wir der Schwerkraft kaum noch entrinnen können? Oder versuchen wir es einfach nicht mehr?

Szenen meines Lebens XI (nicht zwingend in chronologischer Reihenfolge)

Lametta, Strohsterne, Weihnachtsterne, Lebkuchen, Plätzchen, Kränze,  Christbaumkugeln, Schokoherzen, Lichterketten, Weihnachtsmänner, Adventskalender, Zimtsterne und und und. An allen Ecken und Enden. Überall. Es gibt kein Entkommen. Und es geht mir sowas von auf den Keks. Aber sowas von. Aber auch alles.

Alles? Ne, stopp. Kommando zurück. Streichen Sie die Zimtsterne. damit haben Sie mich. Ich liebe es, wenn ein Plan aufgeht, äh , tschuldgung, falscher Film, ich meinte natürlich Zimsterne. Sie sind echt das einzige, wobei mir in der Vorweihnachtszeit das Herz aufgeht.

Dies hatte auch eine holde Apothekersfrau vernommen, die gelegentlich beim Plausche die ein oder andere Gerstenkaltschale mit mir teilt.  Und da ihre medizinische Grundversorgungstation sich derzeit einen harten innerbetrieblichen Wettbewerb liefert, ob sie eher ein Weihnachts-Give-Away-Lager oder eine medizinische Notfallstation ist, versprach sie mir Abhilfe. Sie wollte ein gerüttelt Maß an Sternen in der kneipe meines Vertrauens für mich deponieren. Ihr holder Göttergatte, sonst für meine Grundversorgung gegen Unterhopfung zuständig, würde dann dafür sagen, dass die guten Teile  bei mir ankommen.

Soweit der Plan. Gesagt, getan. Und so meldete mir mein WhatsApp frohen Mutes auch noch, dass eine Lieferung für mich eingetroffen sei. Mir lief schon das Wasser im Munde zusammen. Zimtsternstunden der Menschheit.

Doch es kann der beste nicht in Frieden naschen, wenn es dem bösen Kneiper nicht gefällt. Ahnen Sie es bereits? Nicht? Dann werfen Sie mal einen Blick auf untenstehendes Foto:

Schockschwerenot. Der hämisch vorgetragene Hinweis, man habe die Kekse in einer mir genehmen Form zusätzlich aufgehübscht, entschädigt nicht wirklich für den bösartigen, vorsätzlich herbeigeführten Mengenschwund. Von wegen Fest der Liebe. Gemeiner Mundraub. Oh Un- und Missetat.Kannst dir doch selber von deiner Holden was mitbringen lassen.  Ehrlich ey, Pix, dit gingt mir auf den Keks.

Tage wie dieser …

Ich hätt’s wissen müssen. Gleich morgens. Tage wie dieser … Nun gut, dass mit der Kaffeemaschine ist noch halbwegs glimpflich abgegangen. Die komischen Geräusche, mit denen sie sich lautstark in ihrer Ecke bemerkbar machte, ließen mich aufschrecken. Und ich gebe es ja auch zu, sie so weit unter den Tropfenfänger zu stellen, dass dieser ein Durchlaufen des erquickenden Morgentrunks ermöglichte, ist sinnvoll. Dass sie aber nur zur Hälfte darunter stand, eher weniger. Denn so ergoss sich das schwarze Gold hübsch an dem gläsernen Gefäß vorbei auf die Warmhalteplatte und wohin sonst so immer dass Gebräu sich bemüßigt fühlte.

Die Fortsetzung fand dann wenig später statt. Bei diesen Witterungsbedingung ist es ja nicht ratsam ohne Schal das Haus zu verlassen. Dies zu wissen und festzustellen, dass man es ignoriert hatte, ist wenig erbaulich, wenn zwischen sich und dem wärmenden Halstuch vier Stockwerke liegen. Und ne, ich hatte so wirklich gar und überhaupt nicht die Lust die 80 Stiegen hoch zu meinem  Palazzo noch bewältigen zu müssen.

Doch als pfiffiges Kerlchen ist man um Ideen selten verlegen. Oben in meinem Domizil war doch mein temporärer Mitbewohner. Der könnte doch. So aus dem Fenster und so.

Sie ahnen es schon? Stimmt. Denn was ich für einen echt feinen Plan hielt, entpuppte sich als Boomerang. Mit einer unglaublichen Zielsicherheit beförderte der gute Mann meinen lieben, kleinen Braunen ins Geäst eines vor dem Hause bösartig herumlungernden Baumes. Da flatterte er lustig in luftigen Höhen. Schöner Anblick. In der Tat. Nur leider half mir das nicht gegen den sich immer stärker an meinem Hals bemerkbar machenden Luftzug.

Ich wusste sofort jemanden, der nur mitleidig den Kopf schütteln würde. Ich hatte ihr „Also Papa“, schon in meinen Ohren. Die Bunkine kennt mich und meinen chronischen Schalschwund. Auch Mützen oder Handschuhe ging ich gern mal verlustig. Da hatte ich mich die letzten beiden Winter so angestrengt, mein Hab und Gut zu bewahren und nun das. Und mal abgesehen von meiner Unlust des Treppensteigens war ich nicht einmal Schuld …

Hatte ich schon erwähnt, dass ich einen zweiten Schal hatte. So ein Momperding in rot. Das wusste auch mein Mitbewohner. Und aus Schaden klug geworden, versenkte er das gute Cashmere-Teil in einer Plastetüte. Sollte die aerodynamischen Flugeigenschaften verbessern. Tat es auch. Und zwar so gut, dass der gemeingefährliche Bäumling spielends umgangen wurde. Die Tüte segelte also herab, sie segelte weiter, sie näherte sich dem Erdboden und landet hohnlachend auf der Brüstung eines Nachbarbalkons. Erster Stock zwar nur. Aber Klingeln nutzlos. Es waren alles reine Ferienwohnungen. Nicht besetzt, nicht belegt gerade. Money down the drain zum Zweiten. Supersache.

Nun gut, Schwund ist ja immer. Kann man nicht ändern. Leise vor mich hin grummelnd machte ich mich vom Acker. Hatte ja schließlich noch mehr auf dem Zettel, ehe es in die heiligen Redaktionshallen ging (das ich dort später hätte eintrudeln dürfen, war an mir vorbeigegangen, weil die entsprechende Mail erst in meinem Postfach aufschlug, als ich das Haus verlassen hatte …). .

Sind sie immer noch hier? Echt? Noch nicht genug an meinem Elend ergötzt? Nun gut, Sie haben es ja so gewollt. Ich war noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt. Können Sie sich meine hocherfreute Miene vorstellen, als ich nach geduldigem Einreihen am Postschalter nichts in Empfang nehmen können? Nun gut, den hübschen gelben Benachrichtigungszettel habe sie ja gelesen, meinte die freundliche Dame. Aber so ein Zettel, da könne ja jeder kommen. Wenn nix da sei, sei nix da. Ne kostenfrei Hotline könne sie bieten. Auch was hübsches, oder?

Ne ja, ist klar, soll ich doch selber zusehen, wo das gute Schriftstück gelandet ist. Und überhaupt. Sie seien schließlich eine Postbank, hallo DIE Postbank, nicht die DHL oder die Briefpost. Das seien drei ganz verschiedene Unternehmen, wurde ich mitleidig belehrt.  DREI! Sie könne schon gar nichts dafür, quoll es undeutlich aus ihren Lippen hervor mit einem gestrengen Blick über ihre Brillengläser hinweg, der deutlich machte, dass ich sie bitte nicht weiter belästigen möge.  Fast hätte ich mich dafür entschuldigt, dass ich ihre wertvolle Zeit so schnöde mit meinem egoistischen Unterfangen missbraucht hatte. Aber, nein, ein Grenze hatte Tyrannenmacht. Also ein letzter zaghafter Vorstoß. „Aber es ist doch ein Einschreiben“, stammelte ich vor mich hin. Das „So etwas kann doch nicht verloren gehen“, wurde von einem ebenso resoluten wie finalen „Das habe ich gesehen“, unterbrochen.

Okay, okay, ich weiß, wann ich geschlagen bin. Sofortiger Rückzug, Truppen sammeln und so. Der einzige Lichtblick in der Warteschleife war, dass ich fußläufig nur von der Filiale in der Frankfurter Allee bis zur Warschauer Straße warten musste, eh mein Anliegen endlich vorgetragen werden konnte. Man versprach sich zu kümmern. Handelte sich ja um ein Einschreiben …

 

 

Zippo

„Wo ist denn ihr Zippo?“ Hä? Bitte, was? Ihr habt es doch gerade durch den Scanner gejagt. Liegt doch noch in dem grauen Körbchen direkt vor ihnen auf dem Fließband. Was soll diese blöde Frage, konnte ich mir gerade noch so eben verkneifen. Denn ich ahnte bereits was auf mich zukommen würde.

War ja klar! Eine Chiquita sollte man ja auch nie Banane nennen! Also, Ntm: Ein Zippo ist ein Zippo ist ein Zippo! Und kein sti-no Feuerzeug. Was nun passieren würde, war klar wie Kloßbrühe. Zurück auf Los. Ohne 4000 Euro einzuziehen. Und da kam sie auch schon prompt, die befürchtete Bestätigung. „Gehen sie damit bitte noch mal an den Check Inn. Sie müssen die Watte und den Docht entfernen.“ Super. Zurück. Durch das ganze verfickte Gebäude. Dabei war ich so stolz auf mich gewesen. Der Boarding Pass ward am Abend zuvor schon ausgedruckt. Den Fenstersitzplatz in eine Gangreihe geändert. Falls Mann des Morgens  mal ein Wässerchen lassen müsste und so dem aufgezwungenen Sitznachbarn – diesmal übrigens eine junge Blondine – ein qualvolles Aufstehen aus den beengten Sitzplatzreihen ersparen kann. Kurz, alles ward vorbereitet für einen reibungslosen, kundenfreundlichen Schnelldurchlauf nach Düsseldorf und retour. „Hit an’ run“-Taktik vom Feinsten.

Schön ausbaldowert. Und nun dies. Meine allseits geliebte Morgenlaune besserte sich nicht wirklich. Noch mal durch die Kontrolle. Einreihen hinter all denen, die vorher nicht ihren Gürtel lösen können. Die niemals nie und nicht auch nur daran denken, ein Fitzelchen ihrer zu überprüfenden Reisebegleiter vorher aus den Taschen zu nehmen. Von Mänteln und Jacken, aus denen man beizeiten schlüpfen könnte, will ich jetzt gar nicht erst groß anfangen. Ich würde mich nachher im Flieger schon genug darüber ärgern, dass der Flugwillige sich immer erst unmittelbar vor seinem Sitz ausplünnen würde. Ein Verhalten, dass auf jeder Bundesautobahn einen mittellangen Verkehrsstau mit lustigen Rundfunkwarnmeldungen zur Folge haben würde, aber in den Fliegern dieser Welt offenbar zum guten Ton gehörte.

Der geneigte Leser lächelt nur Milde und denkt sich bereits: So ein Idiot. Wie kann ihm als weitgereisten Fahrensmann so etwas passieren im Zeitalter nach Nine-Eleven? Selber schuld! Sie haben ja so Recht. Mildernde Umstände wären vielleicht noch der erwähnten Morgenstunde geschuldet gewesen. Aber ehrlich gesagt, ich hatte mir darüber keine ernsthaften Gedanken gemacht. So gar keine. Weitere Umstände die für meine Entlastung sprachen: Das Zippo befand sich ja auch noch nicht so lange in meinem Besitz. Es war so etwas wie ein weinachtliches Abschiedsgeschenk meiner bald darauf Ex-Holden gewesen. Etwas, was ich schon immer mein Eigen hatte nennen wollte und nun mit einem Wappen eines bestimmten Klubs verziert auch hatte. Und da ich zuletzt nicht mehr Reisekader gewesen war, respektive alle Ziele mittels Kraftfahrzeug angesteuert hatte, war das sozusagen der Jungfernflug. Und ein Feuerzeug dufte man ja im Handgepäck mit sich führen. Aber, s.o, ntm: Ein Zippo ist ein Zippo ist ein Zippo. Geeignet dafür, aus seinen 22 Bausteinen eine lustige Brandbombe herzustellen, mittels der ich den Piloten dazu bewegen konnte, abeichend von der Normalroute flugs die Twin Towers des WTC anzusteuern …

Mein ohnehin leicht zu Jährzorn neigendes Naturell steigerte sich auf der nach oben offenen Erregungsskala auf einen legendären Wert, als man mir bedeutete, das gute Stück jetzt eigenhändig auseinander zu nehmen und die Watte nebst Docht entsorgen zu müssen. Es gibt angenehmere Arten, sich die Finger schmutzig zu machen als an einem frisch gefüllten Zippo. Denn das hatte ich vor meiner Abreise noch erledigt, damit mir im fernen Rheinlande bei der zu erwartenden, nervenzehrenden Partie es nicht unvermittelt an Feuer mangeln würde. Für eine Sekunde erwog ich, das Zippo mit Karacho in der am Counter hämisch wartenden Box für verbotene Flugbegleiter wie Scheren, Feilen und zusätzliche Feuerzeuge zu entsorgen. Hätte zudem den nicht unangenehmen Nebeneffekt gehabt, dass ich nicht ständig an etwas für immer Verloren gegangenes erinnert werden würde. Dann siegte doch die Vernunft. Dadurch würde ich sie auch nicht wieder zurückbekommen.

So mutierte mein Zippo für den schmalen Obolus  nur 4 Euro zum wohl kleinsten Gegenstand in der Gepäckaufbewahrung am Flughafen Tegel. Dort fand es also zwischenzeitlich Asyl. Und so denn die Lufthansa pünktlich niederkommen würde, bestand auch eine gute Aussicht, es am gleichen Abend wieder in meinen Besitz bringen zu können. Ein nicht ganz billiges Vergnügen. Doch ich war ja selber Schuld. Ein Zippo ist ein Zippo ist ein Zippo. Oder hatten wir das bereits? Egal. Das einzig Gute: Diesmal würde ich wenigstens nicht wie weiland in London in die Liste der meist gesuchten Verbrecher aufgenommen werden…

Urgent

Nun habe ich es schriftlich. Ich mein‘ aj nur, gewusst habe ich es ja eh schon. Vielleicht nicht immer so wirklich wahr haben wollen. Ich bin alt! Scheintot sozusagen. Und so etwas tut echt weh!

Rief ich den nach der Zeit fragenden Kids, die mich höflich siezten, nicht immer ein „Ihr könnt mich duzen“ hinterher? Da wähnte ich mich noch voll geistiger Frische und Gedankenkraft und dann das! Kann doch nicht wahr ein. Hey, ich folge dem Web2.0, auch wenn es nicht begreife. Ich blogge, surfe, bediene Gesichtsbuch ohne Unterlass. Sogar Emoticons verstehe ich meist, ohne sie nachzuschlagen. Ich habe einen Job, der wahrlich nicht dem Nine-to-Five-Modus entspricht und in dem man rumkommt und die Welt sieht. Sogar das Cup der Guten Hoffnungen zuweil. Ich sah mich umgürtet von jugendlichem Elan, dem allein die Anzahl der Lenze leicht widersprachen. Aber die sah man mir nicht zwingend an. Zumindest nicht deren alle!

Doch jetzt hatte ich den Beweis vor Augen geführt bekommen. Vom Gottvater des Infozeitalters, von „Mr. Wikipedia“ höchstpersönlich. Und wem, im Zeitalter der Informationen, soll man denn besser Glauben schenken denn Wikipedia? Eine niederschmetternde Erkenntnis. Nun wurde es zu meinem persönliche Wikileaks!  Beim kurzweiligen Besuch eines Rockkonzertes am westlichen Rande der Stadt wurde mir klar gemacht, dass ich nicht nur ein klein wenig älter als meine hübsche Begleitung gewesen bin, sondern leider doch wirklich im fortgeschrittenen Erwachsenenleben angekommen sein muss. Denn die laute dröhnende Musik, die uns da im Festungsambiente feilgeboten wurde, wird einem bestimmt Genre zugeordnet, von dem ich zwar noch nie zuvor gehört hatte, aber im Namen schon das unausweichliche Grauen klang: Adult Oriented Rock, kurz AOR.

AOR? Was soll das denn sein? Außerordentliche Respektsperson, oder was? Es schüttelte mich. Mit dem Erwachsenenleben ist das ja so eine Sache. Meist fühlt man sich noch jung. Und ehe man sich es versieht, fressen einen Verantwortung, Geldsorgen und Alltagsgeschehen auf. Kein Wunder, dass manch einer sich davor drückt, die Schwelle zu diesem Bereich seines Lebens zu übertreten. Und macht es dann doch. Zwangsweise. Egal wie viel Angst man davor hat. Meist merkt man das auch nicht bewusst. Es ist ein schleichender Prozess, der sich seinen Weg bahnt Das studentische Du konnte dem eine Weile Einhalt gebieten. Aber nicht für immer. Man ist dann halt auf einmal so ein Adult! Erwachsen! Klingt nach Maloche pur, wenig Spaß und viel Verantwortung. Hey, kümmerte ich mich nicht genug um mein Leben? Folge ich nicht den Prinzipien des Hedonismus? Getting as much fun out of your life as you possibly can? Eben. Mussten da die Herren Foreigner und Journey mich so en passant wirklich in so eine Schublade stecken (lassen), nur weil ich auf ihre Musik stand? Also nett ist anders!

Ein Y hat seinen Wert

Meine Herren der Schöpfung, machen wir uns nichts mehr vor. Es ist an der Zeit, es auch einmal auszusprechen. Obwohl wir (und da wird wohl keiner ernsthaft widersprechen wollen, der auch nur ein klein bisschen Verstand sein Eigen nennt) die göttlichsten Wesen unter der Sonne sind, kommen wir nicht ohnehin uns doch etwas – wenn auch höchst widerwillig – eingestehen zu müssen. Es bedarf einfach einer weiblicher Note in unsere näheren Umgebung. Ja, wenn man nun einmal dabei ist, diese grausame Wahrheit aussprechen, Note allein langt nicht. Dem könnte ja mit gelegentlichen Besuchen abgeholfen werden. Wir brauchen mehr. Das hat nicht mal was damit zu tun, dass wir Männer oft Sklaven unserer Genetik sind, dass uns uralte Instinkte dazu zwingen, höchst widerwillig dem Freizeitsport der Kopulation zu frönen, sondern, man muss es auch aussprechen können, wir Männer brauchen die holde Weiblichkeit auch als Gesprächspartner. Und sei es nur, dass sie nüchtern anmerkt, dass die Zimmerdecke mal wieder gestrichen werden könnte. Kurz: Sie vervollständigt uns einfach. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Nachdem ich nach langer, reiflicher Überlegung unter Aufstellung von Pro- und Contra-Listen, unter Zuhilfenahme des Webs, von Büchern und einschlägigen Fernsehsendungen („Sportschau“, „ran“ etc)  zu dieser Feststellung gekommen bin (und sie hiermit meiner Mit-Männer-Welt nicht länger vorenthalten möchte), handelte ich auch umgehend. Ich möchte Ihnen hiermit meine neue Mitbewohnerin vorstellen: Sie heißt Coryna. Und stammt aus dem Hause derer zu Carpus. Pflegeleicht soll sie auch noch sein, wurde mir zu meiner nicht enden wollenden Freude gleich bei unserer ersten Begegnung mitgeteilt. Auch, oder gerade, wenn man nicht so häufig zu Hause sei. Was will Mann mehr!!

Und wenn sich jetzt einer hier über die Schreibweise mokiert. Coryna mit Y sei so ein bisschen komisch, dem möchte ich entgegenhalten, dass ich mir selten ein X für ein U vormachen lasse. Und es manchmal ganz entscheidende Unterschiede sind, ob man ein x-beliebiges i vor sich hat oder ein schönes Y sein Eigen nennt. Ich mag ja das Y. Aus Gründen. Und bin dabei in bester Gesellschaft, schließlich hat ja auch schon der Herr Reinhard Lakomy den Wert dieses Letters ausgiebig besungen. (Falls Väter unter meinen Lesern anwesend sind, besonders welche mit reiner Westsozialisation, nehme ich mir als „Wanderer zwischen den Welten“ die Freiheit raus, ein Prädikat:  „Absolut  empfehlenswert“ auszusprechen. Bei kleineren Kindern fängt man am besten mit dem Traumzauberbaum an).

Doch halt, wo war ich? Ach, ja bei der lieben Coryna.Ich merke schon, Sie sind des langen Vorspiels überdrüssig und brennen nun drauf, das holde Wesen kennen zu lernen. Nun gut, ich will Sie Ihnen nun auch nicht länger vorenthalten. Blättern sie einfach um.

Meine Coryna. Mit vollständigem Namen Corynocarpus. Ein Karakabaum. Und ich hoffe, dass wir besser miteinander auskommen werden, als ich und die Yucca-Palme die mir einst geschenkt ward, die sich dann aber Blatt für Blatt von mir verabschiedete, und nur ein klagend Stumpf zurück blieb.

Wo man singt, da lass dich nieder

Ne, ja, ist klar. You’ll never walk alone. Muss man glaube ich nicht groß drüber reden. Auch wenn mir das Vergnügen an der Anfield Road leider noch nicht zu teil war.  Und Geschmäcker sind auch verschieden, ich weiß. Und doch hat mich mein letzter Kurztrip nach Karlsruhe (der mit insgesamt 12 Stunden Bahnfahrt hin und zurück eigentlich doch nicht so kurz war wie der Name vermuten lässt) mal wieder dazu gebracht nachzudenken. Welche Lieder in Stadion finde ich gut? Welche akzeptiere ich, obwohl sie Mist sind, aber halt genau dorthin passen, wo sie voll Inbrunst gesungen werden. Was geht gar nicht?

Das Badener-Lied fällt für mich in die vorletzte Kategorie. Erstens klingt es an der Dreisam beim SCF viel wirkungsvoller. Und zweitens hat  es verdammten Ohrwurmcharakter und verfolgt einen Tage lang. Aber, es gehört dahin. Und das ist auch gut so.

Großartig ist für mich ja auch das Millerntor. Hier in Vorfreude auf den 29. November das Beispiel meines letzten Besuchs beim Kiez-Klub. Es war ein schönes Spiel. Nur schade, dass der Schiri es nicht gesehen hatte. Noch immer klingen mir unsere freudigen 5:1, 5:1-Gesänge in den Ohren. Was zwar nicht der Realität entsprochen hat, aber unserem Gefühlszustand.

Gleiche Stadt, anderes Stadion. Dem Kollegen @nedfuller möchte die Perlen zwar am liebsten den Säuen vorwerfen (was ich ihm als Dauerkonsumenten dieses Liedes nicht groß ankreiden mag), aber ich, als immer wieder nur temporärer Rezipient  der King-Karlschen-Gesangsdarbietung, möchte es dort nicht missen.

Über Oberhausens Missfits habe ich mich hier schon mal ein klein wenig ausgelassen. Über Grölimeyers Herbert möchte ich nicht weiter groß Worte verlieren. Die Doppelpassunfähigkeit der dort ansässigen Kicker ist eben so legendär wie des Sängerbarden Tanzunfähigkeit. Aber bei  den „einstmals Unabsteigbaren“ vom VfL hat das Ding seine Berechtigung.

Und nach all den imho schönen und passenden Beispielen hier nun mein absolutes Downlight: Zebrastreifen weiß und blau, hier kotzt spielt der Em-Es-Fau.

Und bevor mich jetzt einer für meine Überschrift schilt, Sitzen sei für den Arsch. Über die Hymne im schönsten Stehplatzstadion Deutschlands brauchen wir uns gar nicht erst unterhalten. Unübertroffen. Allein schon durch das Intro und die Überleitung. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Nein danke

Location Ostkreuz. Zwei junge Damen, weiß gewandet, beim Verteilen einer Gratiszeitung. „Hier bitte, nehmen sie. Ist umsonst“, flöteteten die leicht fröstelnd daherkommenden Holden die „Welt kompakt“ lobpreisend an.

„Danke nein, ist Springer“, brummte es ihnen en passant entgegen. Ungläubiges Staunen der Verteilerinnen. „Schon wieder einer?“

Szenen meines Lebens V

Los jetzt, alle mal mitsingen:

Ein Auto steht am Straßenrand ganz still und stumm
Es hat aus lauter Purpur ein Mäntlein um
Sag was mag denn mit ihm sein
Warum steht es da allein …

Na liebe Gemeinde, dämmert es schon? Nicht? Dann mal bitte den Blick von der glänzenden Motorhaube und der glitzernden Windschutzscheibe etwas absenken. Ja, richtig gesehen. Da fehlt etwas. Das Nummernschild, um genauer zu sein. Ganz präzise ausgedrückt nur das vordere. Hinten war alles okay!

Natürlich pasiert einem so etwas immer dann, wenn man es gerade eilig hat. Beispielsweise wenn man die Bunkine nebst ihrer werten Frau Mutter abzuholen gedenkt, um an der Waldbühne einem wunderschönen Konzert der Toten Hosen lauschen zu gehen. Diese informieren, dass alles anders als geplant laufen muss, uns die Zeit knapp gar zu werden drohe, war eins.

Was tun, sprach Zeus? Die Götter warn’n zwar nicht besoffen, aber weiterer guter Rat teuer. Das der getreue Wegbegleiter zudem nicht ansprang, entspannte die Situation nicht wirklich. Erst einmal also meldete man sich als ordentlicher Bundesbürger bei seinem Freund und Helfer.  Und weil meine Wenigkeit halt gerade auf der Straße stand und das Örtliche fern, entschied man sich natürlich für die Einseinsnull.

Begeisterter Empfang am anderen Ende der Leitung, als ich versuchte ein Ohr für mein Dilemma zu bekommen. Aber so was von. Ich möge mich doch bitte an ein örtliches Revier wenden. Dauerte auch keine dreieinhalb Minuten, ehe ich dem guten Mann verständlich gemacht hatte, dass ich,  wenn er mir nur mit einer Nummer weiter hülfe, doch gar nicht unverschämterweis seine heilige Leitung weiter zu blockieren gedachte. Lange stand er auch nicht auf derselbigen. Gefühlte weitere dreieinhalb Minuten später hatte er es verstanden. Doch, doch! So schlecht kann die Ausbildung unserer Herren Ordnungshüter also gar nicht sein.

Meinen Standort als solchen, dem ich ihm wohlweislich kund getan hatte, geflisssentlich ignorierend, übermittelte er mir nur die zentrale Rufnummer der Berliner Ordnungshüter. Bitte kmme jetzt keiner auf den abwegigen Gedanken, dass hier Gehässigkeit seinerseits im Spiel gewesen sei, nur weil ich gewagt hatte, ihn in seiner Wachsamkeit zu stören.

Nun gut, was soll man machen. Wenn der eine nicht will, dann muss eben der andere. Flatrate sei dank, kostet so ein Anruf ja nichts. Und in den zwei Minuten mehr würde mit meinem verschwundenen Nummernschild wohl auch nicht weiter groß Schindluder getrieben werden können als zuvor auch schon. Denn wann das gute Teil abhanden gekommen, wusste ich ja nicht zu sagen. Schließlich stand der rote Renner schon ein paar Tage friedlich, schiedlich auf seinem Parkplatze vor sich hin.

Frischen Mutes also zum nächsten Telfonat. Bescheiden mein Begehr vorgetragen, das ich das Abhandenkommen eines Kfz-Zeichens zu melden gedachte. Bis zum ende kam ich nicht. „Gehen sie zur Zulassungstelle“, blökte es kurz und bündig aus dem Lautsprecher. Zulasungstelle? Ja doch, Superidee. Am späten Freitagnachmittag. Warten bis Montag also. Und in der Zwischenzeit laufe ich die Gefahr, dass jemand auf meine Kosten Banken überfällt, eine terroristische Zelle mit gründet oder, um mal ein kleinwenig realistischer zu werden, munteren Tankbetrug betreibt. Diesen dezenten Hinweis meinerseits aufgreifend, bekam ich gelangweilter Stimme einen bahnbrechenden Tipp. Ich könne doch zu einem Revier meiner Wahl gehen. Hatte ich schon meine Zeitknappheit erwähnt? Hatte ich? Okay. Sie können mir also folgen.

Ich ließ Notlage Notlage sein und folgte also dem Lockruf des Konzertes. Auch weil ich die Bunkine nicht enttäuschen wollte. Die hatte sich ja sehr auf die Düsseldorfer gefreut. Und Open Air ist ja eh immer spannend, so denn das Wetter mitspielt. Also doch noch auf den Weg gemacht. Nicht aber ohne vorher den Versicherer meines Vertrauens von meiner Unnummernheit in Kenntnis zu setzen. Sicher ist sicher.

24 Stunden später begab es sich zu der Zeit, als ich nach getanenem Tagwerk des Abends im friedlichen Friedrichshain  heimwärts radelte,  dass ich an einer Wache vorbei kam. Da dachte ich, dass hier mir endlich einer zuhören müsse. Und siehe da, ich klopfte klingelte, und es ward mir aufgetan. Ich fand gar Raum in der Herberge, äh im Reviere. Mehr noch! Mein Anliegen, wurde mir versichert, sei  wichtig. Man merkte sich die  Worte und bewegte sie in seinem Herzen.

Warum ich denn nicht früher gekommen wäre?  Auch das chiplich mitgebrache Foto, dass wir nach nur 30 Minuten Rumfummelei am PC des Reviers mit gemeinsamen Kräften endlich überspielt hatten (was da angeblich nicht alles aus Sicherheitsgründen gesperrt und unmöglich war. Mein lieber Scholli wie fangen die denn so bloß Verbrecher?), fand des netten Beamten höchste Lobpreisung. Und als  wir auch noch feststellten, dass unserer beider Zuneigung einem südöstlich in dieser Stadt beheimatetem Fußballklub galt, war der Bann endgültig gebrochen. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Dieser Mann gab mir den Glauben zurück.

Was lernen wir daraus? Beim nächten Notruf, egal worum es geht, verlange ich erst einmal nur noch eins: Nach dem diensthabenden Eisernen.