Die WM und ich

IMG_6699

Die Küchenuhr tickt. Leise. Stetig. Aber viel zu langsam für meinen Geschmack. Ich will endlich los. Ins Wohnzimmer. Auf mein Sofa im Stadion an der Alten Försterei. Endspieltag! Und doch ist das alles noch so fern. Viel zu fern. Und die Zeit will nicht rumgehen…

WM-Endspiel. Es gibt nichts Größeres. Und für mich als leidenschaftlichen Fußballfan sowieso nicht. Als rasender Reporter kann ich meine Emotionen beruflich bedingt gar nicht so ausleben wie all die Jungs bei den Spielen des 1.FC Wundervoll auf den Rängen. Für mich sind es immer die Großturniere, bei denen ich mich auch einmal gehen lassen kann. Mitfiebern. Die Leinweand anbrüllen oder extatisch mit anderen zusammen einen Jubelchor anstimmen kann.

Dass das runde Leder mich in den Griff bekommen sollte, war bei meiner Geburt offensichtlich vorherbestimmt. Ich erblickte das Licht der Welt genau an dem Tag, als in England ein neuer Stern am Fußballhimmel aufging. Eine spätere Lichtgestalt führte die deutsche Mannschaft zu einem grandiosen 5:0 beim Auftakt im Hillsborough. Der Ort, der 23 Jahre später zum Inbegriff einer Tragödie wurde und die heutige Sitzplatz(un)kultur einleitete.

Nun sitze ich hier. Und warte. Und warte. Versuche mich abzulenken. Die Sachen für den Usedomurlaub mit der Bunkine zu packen. Oder zumindest auf kleine Häufchen zu stapeln. Man(n) will ja nix vergessen.

Gedanken streifen dabei durch meinen Kopf. Wann ich denn das erste Mal bewusst eine WM verfolgt habe. Eigentlich müsste es 1974 gewesen sein. Doch beileibe nicht alle Spiele. Die Anstoßzeiten waren oft so gestrickt, dass ein achtjähriger Steppke sie nicht mitverfolgen durfte. Ich glaube ich habe die Vorrunde Größtenteils irgendwie verpasst, das der Spielerrevolte folgende 2:0 gegen Jugoslawien auch. Meine Erinnerungen setzen ein mit dem 4:2 gegen Schweden und der Wasserschlacht zu Frankfurt gegen Polen. Und natürlich irgendwie das Endspiel gegen die Oranjes.

Alles Bilder, die sehr präsent sind in meinem Kopf. Auch heute noch.

Aber wenn ich ganz tief in meinem Unterbewusstsein krame, dann liegt das eher nicht am gemeinsamen fernsehen mit meinem geliebten Altvorderen, sondern an etwas Süßem. An Schokolade besser gesagt. Es gab in jenen Tagen eine längst ausgestorbene Marke namens Sprengel. Und diese Süßtafeln enthielten lustige Sammelbilder. Mit Fleiß und Akribie kollektivierte ich die bunten Bildchen und klebte sie in das dafür vorgesehene Sammelalbum „1966 – 1970 -1974“.

Vier Jahre später sah es schon ganz anders aus. Argentinien war zwar weit. Aber als mittlerweile gestandener 12-Jähriger wollte man auf der Höhe des Geschehens sein. Ich quälte mich durch ein langweiliges Eröffnungs-Null-zu-Null. Mit zunehmendem Enthusiasmus, den zwei Zwischenrunden-Remis ein wenig ernüchterten. Wenigstens das Spiel um Platz 3 sollte drin sein. Waren ja nur die Österreicher. Doch, Sie wissen es ja, Cordoba. Mancher wird närrisch. Und ich ging deprimiert raus zum Kicken mit den Nachbarjungs. Das heißt kicken stimmte auch nicht so ganz. Ich musste dabei laufend den Radio-Reporter mimen, denn um meine fußwerklichen Künste war es nicht so gut bestellt. Zumindest nicht im Vergleich mit den Bengels aus der Nachbarschaft. Also war ich noch nicht so richtig drin im WM-Wahn.

1982: Wahrscheinlich meine erste wirkliche WM. Lassen wir die Schande von Gijon einmal außen vor, springen wir gleich ins Halbfinale. Das Spiel gegen Frankreich. Ein unaufhaltbar scheinender Rückstand. Und dann die Einwechslung des angeschlagenen Karl-Heinz Rummenigge, die dem Spiel eine seltsame Wendung gab. Selbst mein Frau Mutter fieberte vor dem Fernseher mit. Dabei war sie der Affinität zum schnöden Gekicke nicht im geringsten Verdächtig. Für sie hätten sich alle 22 Mann jeder in eine Ecke setzen können und mit ihrem eigenen Bällchen spielen. Immer wieder hatte sie es im Turnierverlauf geschafft unvermittelt aus den Tiefen des Hauses aufzutauchen wie weiland nur Günter Netzer aus den Tiefen des Raumes und selbst im spannendsten Spiel einen mit irgendwelchen belanglose Fragen zu behelligen. Aufgeräumte Zimmer und so.  Doch da saß sie nun und unterstützte lautstark die Jungs mit dem Adler auf der Brust. Da konnte doch nix mehr schiefgehen auf dem Weg zum dritten Titel. Nix, außer Italien eben. Chancenlosigkeit pur im Finale. Und ein bis heute nicht abgeebbtes Desinteresse meiner werten Frau Mama, was das runde Leder anging.

1986:  Als angehender Abiturient haben ich mir nahezu alles gegeben. Jedes Vorrundenspiel. Egal wann. Schließlich war man doch einer der Großen in der Schule. Was kümmerte einen das übernächtigt sein am nächsten Morgen im langweiligen LK Geschichte. Doch alles was hängen blieb war die Hand Gottes. Und ein eingewechselter Dieter Hoeneß im Endspiel, als wir uns anschickten Maradona und Co. doch noch den Triumph zu entreißen. Kam mal wieder anders. Aber dank fleißigen Studiums des Kicker Sportmagazins – so denn mein alter Herr mal ein bisschen Luft ranließ -, war ich stehst gut informiert. Suppenkasperaffäre und so.

1990: Mittlerweile im ehrenwerten Stadiums des Studierenden angekommen, drehte sich in der Sommerzeit alles nur darum, wo und wann man das nächste Spiel ansehen würde. Live-Übertargungen in den Hörsälen der Georgia-Augusta waren da ebenso Programm wie gemeinsames verfolgen des Geschehens mit dem Kommilitonen. Von Spiel zu Spiel steigerten wir uns weiter rein. Ein Lothar Matteus auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Das unvergessliche Spuckspiel gegen die Niederlande. Ein über sich hinauswachsender Jürgen Klinsmann. Genial. Und ebenso das Ende, als sich wildfremde Menschen spontan am Gänse-Lisl versammelten und einander in die Armen fielen. Ein Vorgeschmack auf Sommermärchen 2006, ohne das man es damals so genannt hätte.

1994: Ach lassen wir das. Subsumieren wir dieses und das danach folgende Turnier unter dem Begriff hässliche Trikots und zwei peinliche K.o.s im Viertelfinale. Sie wissen schon, Jordan Letschkov, der alter HSVer, und im Turnier darauf nahmen die Kroaten die Aufforderung der Bildzeitung (Los, Berti! ic sie weg) sich sehr zu Herzen. Leider.

2002: Mittlerweile im Reportleben angekommen, artete das Turnier in Arbeit aus. Seitenumfänge mussten gefüllt werden. Mit Andreas Baingo war ein Kollege live vor Ort. Die Übertragungszeiten waren auch sehr kompatibel. Da konnte und musste man alles mitverfolgen. Rudis Resterampe rumpelte sich dann auch durch ins Finale. Sicher, da waren ein paar tolle Spiele dabei. Acht Tore gegen Rudi-Hau-die-Saudi, beispielsweise. Der überlegene Sieg in Unterzahl gegen ein damals bärenstarkes Kamerun.  Umgekehrt ergaben sich die Engländer trotz Überzahl den Brasilianern. Bei eigenem Rückstand. Unfassbar so etwas. Wir hangelten uns im leichteren Paarkreuz nach Tokio, Michael Ballack opferte sich im Halbfinale gegen Südkorea. Und dann mussten man ausgerechnet im Endspiel Zeuge einer Fleischwerdung des Titanen werden. Oliver Kahn patzte. Ausgerechnet. Und der Sieger hieß Brasilien, obwohl das deutsche Team sein vielleicht bestes Spiel abgelagert hatte.

2006: Sommermärchen. Und alle in der Reaktion nahmen dran teil. 15 Spiele verfolgte ich live im Stadion. Darunter alle deutschen. Den Rest gab es beim Public Viewing. Beispielsweise vor dem Reichstag, wo die Herren von Adidas ein Miniatur-Olympiastadion aufgebaut hatten. Oder in der 11Freunde-Lounge am Potsdamer Platz. Ein Spiel sah ich auch in Dortmund am Vorabend des unsäglichen 0:2 gegen Italien. Auf der Rückfahrt nach Berlin erreichte mich kurz vor der Autobahn noch die SMS einer ehemaligen Gespielin: „Das war so nicht abgemacht.“ Und ob Stuttgart wirklich so viel schöner war als Berlin, haben die Schwaben dann zwar nach dem Spiel gegen Portugal lautstark besungen, aber ich hatte meine Zweifel. Nun gut, konnte ich wenigstens das Endspiel am nächsten Tag im Oly ohne Stress verfolgen.

2010: Sportfreunde Stillers Neuauflage, die Verballhornung von Lena Meyer-Landruts „Satellite“ (’schland, oh ’schland, wir sind an deiner Seite), dazu das unausweichliche Waka-Waka. Letzteres blieb mir in Südafrika ja nicht erspart. Wohl aber manche Auswüchse der Schlandimania. Es blieben wieder 15 Spiele live im Stadion, darunter die beiden grandiosen Auftritte gegen England und Argentinien in der K.o.-Runde. Am Ende wieder nur Dritter. Und ein Finale, in dem die Holländer auf alles traten, was sich bewegte und nicht der Ball war und doch den Spaniern nicht das Wasser reichen konnten. Der Rückflug war übrigens mein Geburtstag. Ich verbrachte ihn mit einem langen, flugplan-bedingten  Stop-Over in Windhoek. Nette Gespräche mit einigen, na gut sagen wir mal freundlich Allesfahrern. Aber für gewöhnlich suche ich mir die Gesellschaft zu meinem Wiegenfeste gerne selber aus.

2014: Der Traum rückt näher. Diesmal leider nur aus der Ferne. Synergieeffekte im Verlag, ließen den Kurier außen vor bei der Reise an den Zuckerhut.  Doch die Sofa-Aktion im Stadion an der Alten Försterei entschädigte. Dazu die Bunkine neben mir. Das war einfach genial. Die Spiele bewegten sich  insgesamt auch auf einem ordentlichen Niveau. Mit Toren satt. Und spätestens nach dem tollen 7:1 gegen Brasilien war klar, die Zeit ist reif für den vierten Stern.

Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Es klingelt. Ich muss los. Man sieht sich …

Der Ball und ich Teil 1

Das 3:2 gegen St. Pauli steckt noch in mir drin. Dieser tolle Kick, bei dem der 1.FC Wundervoll einen 0:2-Rückstand noch in ein 3:2 umbiegen konnte. Und wäre ich noch genussvoll an die Treffer von Torsten Mattuschka, Adam Nemec und Simon Terodde denke, dem heutigen Schlager gegen die Kleeblätter aus Franken entgegenfiebere, versuche ich ähnlich spannende Partien vor meinem geistigen Auge aufsteigen zu lassen. Was gar nicht so einfach ist. Das eine oder andere habe ich ja auf zwei Kontinenten schon gesehen. Nachfolgend einfach mal die Spiele, bei denen ich live im Stadion war. Sozusagen meine persönlichen Highlight aus über zwei Jahrzehnten Stadiongängerei.

 

27. Juni 2010, Deutschland – England 4:2 in Bloemfontein

Ein Tag wie gemalt. Wenn mal von der Anreise absieht. Zeiten, die deutlich vor dem Aufstehen liegen, sind nicht so mein Ding. Aber unser Quartier während der WM lag nun einmal 399 km weiter nördlich zwischen Johannesburg und Pretoria. Und da die Anstoßzeit auf 16 Uhr festgelegt worden war, hieß es sich sputen. Zumal man mindestens zwei Stunden vor dem Spiel da sein musste. Und 400 km in Südafrika nicht zwingend der Verkehrswegigkeit deutscher Bundesautobahnen entsprechen. Fünf Mann in einem Auto waren dabei auch nicht unbedingt der Bringer. Aber egal, da musste man durch.  An die Stadt selber erinnere ich mich nicht. Ankommen, parken, Akkreditierung abholen, Sicherheitsschleusen überwinden, die eines Flughafens würdig waren. Ein bisschen Vorfreue schwebte beim Anmarsch schon mit. Denn 25 000 englische Schlachtenbummler erfüllten mit ihren Gesängen die Luft in der Stadt der Rosen. Schon im Vorfeld hatten die englischen Medien das Spiel gut angeheizt. Martialisch wie so häufig. Deutschland erzittert vor den „drei Löwen“.  Postiv aber allemalen, dass diesmal die Freunde altangelsächsischer Kriegsmetaphorik sich vornehm zurückgehalten hatten. 

Das Spiel ein Traum. Klose und Podolski hatte die Joginatoren nach 32 Minuten komfortabel in Führung gebracht. Die DFB-Eleven spielten sich in einen Rausch, der Anschlusstreffer war ein Schönheitsfehler. Und dann kam das Wembley-Tor.. Besser gesagt die Neuauflage davon. Findige Köpfe wiesen zwar blitzartig nach (siehe Foto), dass der Ball niemals, nie und nicht die Linie hinter Neuer überquert hatte, doch die „Three Lions“ sahen das naturgemäß anders. Am Ende hieß es dank zweier Müller-Tore 4:1 für die Germanen. Und alle Debatten um das hätte, wenn und aber ob des nicht gegebenen Ausgleiches waren – ätschibätschi – nur noch theoretischer Natur. Logo, die Sun und Konsorten heulten ein wenig rum, machten ausgerechnet Lampard zum Symbolbild des Scheiterns. Aber alles in Maßen. Englands Altinternationaler fasste es gegenüber der BBC ganz gut zusammen: „Das war so schlecht, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es war von der ersten Minute an hoffnungslos.“ Und als Augenzeuge musste ich ihm recht geben, war ich der festen Überzeugung, dass auch Lampards Equalizer dem Ausgang der Partie keine Wende verliehen hätte. Zu sehr hatte der Auftritt der deutschen Elf überzeugt. Dann hätte man eben nur 3:2 gewonnen oder 4.2.

 

 

Deutschland Argentinien 4:0, 3. Juli, Kapstadt, Cape Town Stadium

Immer noch ganz euphorisiert durch die Battle of Britain fieberten wir der Partie mit der Albicelste entgegen. Die waren ein ganz anderes Kaliber. Diego „die Hand Gottes“ Maradona als Trainer, dazu der Heiland in irdenem Gewand, aka  Messi. Sozusagen der fleischgewordene Sohn Gottes auf grünem Rasen. Und immer noch mahnte im Hinterkopf die alte These, dass die Jungs mit dem Adler auf der Brust nicht mehr dazu in der Lage sind, einen der Großen zu schlagen. Und England, bei allem Respekt, gehörte schon seit 1966 eigentlich nicht mehr dazu. Memonto mori!

Nun also die Gauchos. In Kapstadt. Eine der schönsten Städte Südafrikas.Und endlich einmal auch etwas Zeit, sich vorher in der Stadt umzusehen. Eigentlich wollte man gar nicht mehr weg. Das Wetter stimmte. Die Stadt summte vor sich hin. Im Hafen kreischten die Möven. Der malerische Tafelberg lud zum Verweilen. So man sich die Mühe machte, ihn zu erklimmen.

Doch natürlich rief die Pflicht. Und auch die Lust. Schon weit vor Anpfiff hatte man sich ins Stadionoval begeben. Es lag etwas in der Luft. Es knisterte. Würde Argentinien Revanche nehmen für die Niederlage gegen Zettel-Lehmann vor vier Jahren? Spötter behaupten ja, das dort im Berliner Olympiastadion folgende Worte auf dem Papier gestanden hätten. „Nicht mehr als zwei halten. Sonst wirkt’s arrogant.“ Nun, Lehmann war weit weg. Berlin auch. Und hier in Kapstadt rollte die Kugel.

Kurioserweise befand sich mitten im teutonischen Pressemob ein südamerikanischer Kollege. Normalerweise trennt die FIFA  weitestgehend die Reporter der Kontrahenten. Nun saß aber dort ein gefühlter 2-m-Hüne mittenmang. Und ward von Sekunde um Sekunde kleiner. Das treffliche Sinnbild der argentinischen Ladehemmung seht ihr unten. Der argentinische Berichterstater jedenfalls  rutschte auf seinem Sessel hin und her. Er sank immer tiefer in sich zusammen, während rings um ihn her sich Unsereiner vor Vergnügen auf die Schenkel klopfte. Wir wussten gar nicht wohin mit unseren Blicken. Das Schauspiel auf dem grünen Rasen war dem auf den Presseplätzen ebenbürtig.  Beim Schlusspfiff saß da ein kleines Häufchen Elend. Gefühlt in Hobbitgröße. Unfreiwilliger Hauptdarsteller  in dem Streifen, „Liebling, ich habe die Gauchos geschrumpft.“ Und wir trauten immer noch unseren Augen nicht ganz über das gerade dargebotene. Unvermittelt kam mir „54 – 74- 90 – 2010“ von Stillers Sportfreunden in den Sinn. Diesmal würde es klappen. Der Griff nach dem Pott! wer sollte diese Joginatoren aufhalten können? Nun gut, Sie kennen die Antwort …

 

 

 

 

 

 

 

 Borussia Dortmund – FC Bayern 5:2, 12. Mai 2012, Berliner Olympiastadion

Boah, ey. Was war ich sauer. Was erlauben Strunz? Ach ne, der spielte ja gar nicht mehr im Dress der Bajuwaren. Aber was der Rekordmeister da im Berliner Cupfinale geboten hatte, war unterirdisch. Eher eine Supernova denn ein Stern des Südens. Sicher, gegen Dortmund kann man verlieren, darf man verlieren. Aber eine Notschlachtung? Der eigens aus München angereiste @probek war auch nicht sonderlich amüsiert. Die zweite Stufe auf dem Weg zum verhassten Vize-Minga, war gezündet worden. Wenig später sollte sie im Finale dahoam gegen Chelsea endgültig in die Umlaufbahn geschossen werden.

Ich verstand es irgendwie nicht. Wo war denn der Ehrgeiz der Roten?  Sicher, Arjen Robben verwandelte diesmal – anders als im Ligabetrieb wenige Wochen zuvor – seinen Elfer. Im Westfalenstadion hatte er zwei Minuten vor Schluss so arg gefehlt, dass der BVB sicher dem Titel entgegenstreben  und bei 6 Punkten Vorsprung nicht mehr durch den FCB gefährdet werden konnte. Allein das hätte doch als Motivation schon genügen müssen, wenn einem schon der Spott egal war, dass man auf eine Stufe mit Vizekusen gestellt zu werden drohte.

Zu sehen war davon nix. Man war ich bedient.

 

Energie Cottbus – Hannover 96 3:1, 5. Juni 1997, Stadion der Freundschaft

Es mag ein wenig überraschen, warum jetzt ein Spiel hier auftaucht von Vereinen, mit denen ich eigentlich weniger verbunden bin. Ist vielleicht auch der außergewöhnlichen Saison der Energetiker geschuldet, die 1997 bis ins DFB-Pokal-Final stürmten und dort gegen den Ligavierten VfB Stuttgart mit 0:2 verloren. Ich erinnere mich noch gut an den Abend wie ich hinterher mit Ingo „Inge“ Schneider, Jens-Uwe Zöphel und Igor Lazic zusammen vor dem VIP-Zelt der Lausitzer nördlich des Marathontores stand und über den geplatzten Traum und ihre Aufstiegssaison parlierte. Die Schneeballschlacht gegen Bundesligist Karlsruhe mitten im April spielte da auch eine Rolle, als Cottbus Euro-Eddy & Co. mit 3:0 aus dem Stadion der Freundschaft kegelten.

Nun, die Relegation gegen Hannover hatte es auch in sich. Der Vergleich mit zwei Schwergewichtsboxern traf es irgendwie. 96 hätte das 1:1 aufgrund der Auswärtstorregel gelangt, Energie wirkte so saftlos, als hätte man ihnen den Stecker rausgezogen. Doch um 21.38 Uhr fiel das Flutlicht aus. Und als die beiden Mannschaften 12 Minuten später weiter machen konnten, flog der beinharte Jens Melzig, der mühelos in jedem James-Bond-Film als Bösewicht akzeptiert worden wäre, vom Platz. Aus die Maus. Schluss der Traum vom bezahlten Fußball. Energie würde  nicht neben Zwickau, Jena und vor allem Hansa Rostock das schmale Grüppchen ostdeutscher Fußballklubs im großen  Ligazirkus verstärken können. Doch dann kam nur eine Minute später Detlef Irrgang und legte wenig später noch einmal nach. Geschafft. Der FCE war aufgestiegen. Und ich war erstmals bei etwas Großem dabei gewesen.

Das ist vielleicht übrigens noch ein Grund, warum mir das Spiel im Gedächtnis geblieben ist. Es hatte mit meinem Weg als Sportjournalist zu tun. Mit Spitzenfußball hatte ich wenig zu tun gehabt bis dahin in meiner Laufbahn. Für das schmale Zeilengeld von 30 Pfennige hatte ich in der Provinz beim Göttinger Tageblatt Vorschauen für die achtklassige Bezirksklasse geschrieben. Auch wenn wenig Später Bezirksliga und Bezirksoberliga dazu kamen, dann von Grone in der Landesliga und der SVG Göttingen in der Oberliga bereichert wurden. An den Platzhirschen der Universitätsstadt, den noblen SC Göttingen 05, ließ man einen freien Mitarbeiter nicht ran. Ih, bewahre. Höchstens auswärts, wo das GT aus Kostengründen keine Mitarbeiter hinschickte und ich auch nur dann zum Zug kam, wenn ich beispielsweise kostengünstig in Oldenburg  oder ähnlichem bei FreundInnen übernachten konnte. Selbstmurmelnd ohne Reisekosten abrechnen zu dürfen .Gut, dass ich seinerzeit einen alten Golf Diesel hatte …

 

FC St. Pauli – SC Paderborn 2:2, 1.4.2013, Millerntor

Es gibt Spiele, über die muss man nicht viele Worte verlieren. Das Remis im Montagabendspiel ist so eins. Normalerweise nix für di Annalen. Doch diesmal war alles anders. Wann erlebt man schon einmal live ein Kopfballtor eines Torhüters. Höchst selten. Umso erfreulicher, wenn man davon Augenzeuge ist. Noch erfreulicher ist es, wenn man es als reiner Besucher im Stadion erleben darf. Bei Bratwurst und Bier halt. Das Dumme am Fußball ist ja, um es vom Herrn Yeboah und seinem legendären Premiere-Werbespott zu entlehnen, jedesmal wenn ich ein Stadion betrete, muss ich ja arbeiten.

 

 

1.FC Union – BFC Dynamo 8:0, 21. August 2005, Stadion an der Alten Försterei

Foto: Hupe

Was hatten wir uns alle aufgeregt. Im Vorfeld. Im Spiel dann auch nicht weniger. Doch dazu später mehr. Das erste betraf die Ereignisse in einer Disco in der Frankfurter Allee, in der die Herren Ordnungshüter am Vorabend des Derbys ein wenig allzugründlich nach den dem Rechten gesehen hatten. Folglich stand die Partie kurz vor der Absage. Das ganze Ambiente war seltsam angespannt. Von der Grünen in voller Montur bis hin zu den 14 200 auf den Rängen. Dann rauften wir uns wieder die Haare. Über Chancentod Karim Benyamina. Der war damals im ersten Jahr eisern. Und  noch ganz weit entfernt davon eines Tages als Rekordtorjäger seinen Dienst an der Wuhle quittieren zu dürfen. Im Spiel gegen die Weinrotweißen jedenfalls ließ er unglaubliche Fehlschützenqualitäten erkennen, auch wenn er am Ende drei Mal eingenetzt hatte. Was er versiebte hätte – gefühlt – für drei Schützenfeste langen müssen.  Egal. Lassen wir das. Er hat sich entwickelt und zu Recht einen klangvollen Namen in der eisernen Ruhmeshalle. Und auch wenn viele es nicht mehr wahrhaben wollen: Hätte Jörn Lenz mit seinem Freistoß kurz vor der Pause auf 1:2 verkürzt, wer weiß, welchen Verlauf die Partie dann genommen hätte. Doch hätte, wenn und aber. „You know who“ traf nicht. Jack Grubert kurz nach der Pauseaber  schon. Was so ziemlich das Einzige ist, wofür er in Köpenick in Erinnerung blieb. Und am Ende war es ein rauschendes Fest im Ballhaus des Ostens. Was den 1.FC Wundervoll übrigens nicht daran hinderte, den Trainer dieses Sieges wenige Wochen später zu entsorgen, ihn zu einer Randnotiz in der Geschichte der Eisernen verkommen zu lassen

 

Und weil ich gerade merke, dass ich viel zu sehr ins Plaudern gekommen bin, beschließe ich, meine aufregendsten Spiele in zwei Teile zu teilen. Mehr also demnächst auf diesem Sender. Oder wie es immer so schön in Comics heißt: Fortsetzung folgt.

 

Tempora mutantur

Ja, ja, die Zeiten ändern sich. Und wir uns in denselbigen. Geht auch am Bunki der Woche nicht spurlos vorbei. Qed:

Früher:

Später:

Und heute:

Das gute Stück ist jetzt sogar zwei Mal vorhanden. Eigentlich aus einem traurigen Anlass. Denn ein allseits geschätzter Kollege, der Namenspatron des zweiten Leibchen war, weilt ja nicht mehr unter uns.

 

 

Heute wurdest du zu Grabe getragen. An dieser Stelle: R.I.P, KDV. Ich hoffe du kannst von oben herab ein bisschen zusehen,wie die Eisernen sich so schlagen.

Und wer wirklich wissen will, was es mit dem Bunki der Woche auf sich hat, der schaue hier vorbei. Oder fragt besser gleich einfach mal die Maus.

 

Szenen meines Lebens IX

Schon morgens beim Betreten der Redaktionsräume in Hütte schwante mir Unheil. Dieses süffisante Grinsen auf den Gesichtern meiner Kollegen. Hatte ich mein Hemd falsch herum angezogen. Irgendwelche verräterischen Flecken auf der Hose vom Vorabend? Restalkohol? Kurze, unauffällige Überprüfung. Nichts dergleichen. Puh! Glück gehabt.

Das Süffisante steigerte sich ins Sardonische, als ich mich meinem Schreibtisch näherte. Dort lag, fein säuberlich aufgeschlagen mein Artikel des Vortages. Mit einem hübschen Bild wohlfeil abgerundet. Hatte sich die etwas ältere Fotografin-Kollegin, die das illustrieren von schnöden Artikeln so gar nicht mir ihren künstlerischen Neigungen und Ambitionen in Übereinklang zu bringen wusste, mal richtig Mühe gegeben. Was zum Henker sollten also diese nicht enden wollenden Blicke? Tippfehler waren auch nicht im übermäßigen Maß vorhanden. Und das beiläufig Hingeworfene „Ich freu mich schon auf Kuchen“ meines Redaktionsleiters sorgte auch für kein Erhellen in meinen Hirnwindungen.

Die Sekretärin erklärte es mir dann später im Vorbeigehen. Nicht das, was ich geschrieben hatte, sei das Problem. Sondern das Foto. Diese Foto von einem lokalen Großmufti.  Denn es zeige nicht mal nur eben den Berichtsgegenstand. Sondern klar erkennbar auch meine Wenigkeit. Und das sei ungeschriebener Brauch, dass man sich nicht selber als Reporter in der Vordergrund stellen sollte. Ergo werde so etwas mit einer saftigen Backwarenspende redaktionsintern auszugleichen sein.

Ob die gefräßige Bande nur nach einem Vorwand für weitere Stücke frischen Erdbeerkuchens suchte, ließ ich in der Sekunden mal dahingestellt. Ich hatte mir nie darüber Gedanken gemacht. Bis jetzt eben. Fein rein geritten, Frau Künstlerin! Alte Schule, wa? War ja neu hier. Von meinem armen Volo-Gehalt spendierte ich pflichtschuldigst ein sattes Blech. Wollte mir ja nix nachsagen lassen. Zumal ich der einzige Wessi in der Redaktion war. Nicht, dass man es auf die üblichen Dünkel schieben würde. Mitte der 90er musste man bei so etwas im Oderrandgebiet noch aufpassen. Später erhielt ich dann von dritter Seite nochmal die Bestätigung, dass es bei diesem regionalen Aboblatt tatsächlich sich so verhielt. Ganze Generationen junger Kollegen hatten schon die feixenden Gesichter der Altgedienten ertragen und in Nahrungsform Buße tun müssen.

Andere Zeitungen, andere Sitten. Mein Wechsel zum Boulevard kurz vor der Jahrtausendwende lehrte mich eine ganz andere Seite der Branche kennenlernen. Die Fotos mit dem Fußballstar seien ja schön und gut. Sicher, alles irgendwie druckbar. Aber wo bitte sei ich denn? Ich wäre ja nirgends zu sehen. Wenigstens eine  – Vorsicht, Branchenjargon für winziges Beistellbildchen – Briefmarke hätte doch dabei sein müssen. Sichtlich unzufrieden mit mir und der Welt machte sich mein Ressortleiter brummelnd ans Bauen der Seite. Ui, wider was gelernt.

Heute weiß ich, dass das substanzielle Gattungsunterschiede sind. Auch wenn die Grenzen immer mehr verfließen. Bei den Straßenverkaufszeitungen will man dem Leser bewusst vor Augen führen, wie nah man den Schönen und Mächtigen dieser Welt ist. Es ist sozusagen der Foto-Beweis, dass das, was man schreibt, vollumfänglich der Wahrheit entspricht. Unabhängig davon wie bunt und marktschreierisch die Verpackung auch daher kommt. Eine Frage der Glaubwürdigkeit also.Und des mitten drin statt nur dabei seins! Nicht selten schwingt sich ein rasender Reporter  im Dienste des Boulevards sogar auf, und macht all Sachen mit, was die Herren Profis im Alltag absolvieren. Beispielsweise lässt man sich vom Fitnesstrainer der Berufssportler einen Tag lang nach allen Regeln der Kunst malträtieren. Oder tritt im Wettstreite in einer anderen Zunft gegen sie an.

Beide Seiten haben also ihre Daseinsberechtigung. Durchaus. Das ich wiederum noch eine dritte Variante im Laufe meiner Reporterjahre beisteuern würde, hätte ich mir nicht träumen lassen.

Schuld, so man denn hier von Schuld sprechen kann,  daran waren die Weihnachtsfeiertage 2008. Es ist nicht unüblich, dass in dieser an Nachrichten armen Zeit ganze Artikel von Kollegen fleißig vorgeschrieben werden und der Veröffentlichung harren. Wann immer gähnende Leere im Blatte droht, werden damit flugs die Spalten gefüllt. Oft auch in Abwesenheit des Autoren. Was dann bei manche Redigier-Ungereimtheiten oder nennen wir es freundlich Schussligkeiten immer wieder für lustige Spannungsmomente im innerbetrieblichen Klima  führen kann.

Aber darum geht es diesmal nicht. Denn der Text bei den sehr ehrenwerten Kollegen des Tagesspiegels, der sich mit dem langatmig besungenen und viel gepriesenen Stadionbau des 1.FC Union beschäftigte, war einwandfrei. Zumindest fiel mir nach dem Lesen nichts auf, was es hätte zu beanstanden geben können. Hatte der Kollege D. fein gemacht.

Lustiger aber war die Bildauswahl! Denn mittenmang prangte ein lustiges Bildchen von mir mit einer Schaufel und einem roten „Bluten-für-Union“-Shirt auf der Sport-Aufmacherseite. Der Kollege D. von mir eilends zu Hause angerufen und mit Dank überschüttet, fiel aus allen Wolken. hatten doch seine Mitstreiter sich vom 1.FC Wundervoll eine Handvoll Bildchen gewünscht, mit dem sie den Text zu illustrieren gedachten. Und in diesem Potpourri des Werkelns waren – sozusagen live und in Farbe – Abbilder meiner selbst. Geschossen, als ich im August 2009 zwei Tage seit an Seit mit Pressesprecher Christian Arbeit selber an der schönsten Baustelle der Welt mit Hand angelegt und das natürlich gebührend im Kurier dokumentiert hatte.

Übrigens, ich habe es nochmal geschafft im Tagesspiegel vorzukommen. Na gut, nur ein kleiner Teil von mir. Genauer gesagt die linke Hand. Aber dafür sogar auf Seite 1. Ganz oben in der Ecke!

Und das kam so. Es begab sich nämlich zu der Zeit, als eine in Charlottenburg heimische Mannschaft sich anschickte, den steinigen Pfad des Aufstiegs zu erklimmen, dass ein unbeugsames Häufchen Eisernen nicht aufhörte den Eindringlingen, äh kurz, dem Ganzen temporalen Widerstand entgegenzusetzen. Und dieses Spiel, war das erste Pflichtspiel der beiden im Olympiastadion. Das Interesse war groß. Und die Tickets heiß begehrt. Was einen umtriebigen, fleißigen Kollegen, Archivaren des Augenblicks  und Vornamensvetter auf die Idee brachte, die Bückware doch einmal abzulichten. Ich war gerade im wahrsten Sinne des Wortes mit vier Tickets ins Glück zur Hand – und voila – der Tagesspiegel druckte als Anreißer in der Ausgabe des 5.2.2011 eben jenes Symbolbildchen für das Spiel der Spiele ab. Auch nicht schlecht, oder?

Nein danke

Location Ostkreuz. Zwei junge Damen, weiß gewandet, beim Verteilen einer Gratiszeitung. „Hier bitte, nehmen sie. Ist umsonst“, flöteteten die leicht fröstelnd daherkommenden Holden die „Welt kompakt“ lobpreisend an.

„Danke nein, ist Springer“, brummte es ihnen en passant entgegen. Ungläubiges Staunen der Verteilerinnen. „Schon wieder einer?“

Kritikaster wie wir

So, so, der Herr Brussig also. Kann man ja mal mach

en. Immerhin hat der gute Herr ja auch mit „Leben bis Männer“ und „Schiedsrichter fertig“ zwei recht bemerkenswerte Stücke über Fußball, das Leben und den Rest des Univ

ersums an sich geschrieben. Als Autor hat er was drauf. Mit großem Vergnügen habe ich seinerzeit „Helden wie wir“ und „Das untere Ende der Sonnenallee“ verschlungen. Und dass mir mein erstes Zusammtreffen mit ihm einen recht peinlichen Auftritt in meiner journalistischen Karriere beschert hat, lag weniger an dem Herrn Autor, denn an mir. Wenn man eine Buchlesung in der lokalen Gazette schön großflächig bewirbt und sich mit dem ach so tollen Artikel brüstet, sollte man nicht so stolz darauf sein, wenn man den Namen des Vortragenden nicht richtig wiedergegeben hat. Als junger Volontär in Eisenhüttenstadt hatte ich mir das u in Brussig für ein ü vormachen lassen. Herr B., also der andere, nicht ich, war nicht sehr amüsiert. Anfängerfehler. Lassen wir das.

Nun soll der gute Herr ja auch leidenschaftlich vor sich hin kicken. Da kann unser gutes Verbandsorgan ihn schon mal in einem Interview zu Wort kommen lassen.Ob man sich aber in seiner Hauspostille so unwidersprochen kritisieren lassen muss, so von oben herab runtergeputzt sehen möchte, lasse ich einmal dahingestellt.

Gerne hätte ich hier die entsprechenden Passagen verlinkt. Aber der VdS ist da eher so OldMedia1.0. Also machen wir das mal auf gute, altmodische Art wie im Studium. Gerlernt ist halt gelernt.

Brussig: „“Der Sportjournalismus steht demzufolge vor dem Problem, dass er permanent mehr aus dem Sport machen muss, als er ist.“ (Sportjournalist 11/2009, Seite 10)

„Das Investigative ist eine Seite, die der Sportjournalismus nicht notgedrungen braucht“. (ebd.)

Und: „Der Sport wird routiniert und gedankenlos abgefeiert.“ (ebd. Seite 11)

„Wir wissen doch, wie Zeitungen sich darin gefallen, Konflikte anzuheizen und damit die nächste Folge der Seifenoper zu schreiben.“ (ebd.)

Tschuldigung, für wen wird der Sportjournalismus noch mal gemacht? Muss ich dafür wirklich Beitrag zahlen, dass ich mich beschimpfen lasse? Ne, so geht das nicht. Zum Glück lieferte Brussig in dem Interview ja eine Herangehensweise für den rechten Umgang mit Druckerzeugnissen gleich mit, in dem er fordert, dass man eine kritisch-spöttische Haltung entwickeln solle.

Machen wir uns den guten Vorschlag gleich mal zu eigen. Wie war das noch gleich mit dem Thema unreflektierte Überhöhung profaner Sachverhalte? Das mit dem Mehr aus etwas machen, als es ist? Die fabulöse Thekenschlampenmannschaft, deren Mitbegründer der kickende Literat ist, hat sich in der ihr eigenen Bescheidenheit einen richtig netten Namen verliehen. Sie nennt sich schlicht Autonoma. Das steht für Autorenationalmannschaft!

Freizeitkicker als Landesauswahl? Ne, ja ist klar. Gut, dass Brussig nichts überhöht.

A sort of Home coming

Hohe Luft. Hagenbeckstraße. Planten un Blomen. Vertraute Klänge, daran erinnernd, dass man doch ein echets Nordlicht und in Berlin nur ein Zugereister ist. Ich habe zwar nur die ersten sechs Jahre in der Elbmetrole verbracht, doch wenn man nur 40 km weiter südwärts sein Abi gebaut hat, also dort, wo für den Hamburger der Balkan beginnt, nämlich südlich der Elbe, hatte man die Vorzüge der Hansestadt als Heranwachsnder doch genießen dürfen. Zumindest so viel davon, dass es in den Ohren klingt, wenn der breite hamburgische Akkzent sich in meine Hirnwindungen bohrt.

Apropos Klänge. Manche Menschen kennt man gar nicht im RL, obwohl sie einem sehr vertraut sind, wenn ihr Name erklingt. Womit ich jetzt nicht Twitteraner meine. Sondern solche Personen, die man stets nur am Telefonhörer vernimmt, aber noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat. So geht es mir mit unserer Schwesterzeitung. Was lag also näher, da ich mich ja beruflicherweis an der Elbe aufhalte, als das endlich mal zu beenden.

Heute vor der DFB-Pressekonferenz fuhr ich also mal kurz an Griegstraße 75 vorbei, den Kollegen mal die Hand schütteln. Ein Käffchen. Ein Pläuschen. War nett. Wenn auch kurz. Hatten ja zu tun die Kollegen.

Viel faszinierender empfanden meine entzündeten Augen aber das Vis-a-Vis. Nicht mal einen Steinwurf von der MoPo-Redaktion entfernt liegt die altehrwürdige Adolf-Jäger-Kampfbahn, Home des AFC ’93. Es ist einer dieser Sportstäten, an der der Unioner seine helle Freude gehabt hätte. Schalensitze des großen Bruders wurden hier aufgetragen. Eine als Meckerecke bekannte Kurve. Schiefe Traversen, Gras bewachsen. Hach!

Kann mich nicht mal erinnern, ob ich als Kind dort gewesen bin. Später auf keinen Fall. Nicht mal auf meinen Ausflügen als niedersächsischer Verbandsliga-Referee, der ab un dzu im Austausch in der Stadt an der Alster pfeifen durfte. Und doch wallen nur gute Gefühle in mir auf, wenn der Name Adolf-Jäger-Kampfbahn erklingt.

Erinnerte an die Alte Försterei vor der Sanierung. Ein Stück Fußballtradition also. Uwe Seelers Bruder Dieter schnürte sogar zeitweilig seine Töppen für den AFC. Echte Tradition also. Und eine, die sich wohl endgültig dem Ende zu neigt. Angeblich soll das Stadion für 12 Millionen Euro verkauft werden. Regionalligaspiele hatte der DFB den Altonaern bei ihrem kurzfristigen Intermezzo im höherklassigen Fußball vor der Spielzeit 08/09 ohnehin schon verwehrt. Nachvollziehbar vielleicht. Aber schade ist das schon.

Warten auf den Löw

Die Stadt voller Russen. Was nicht weiter verwunderlich ist, wenn die Location Moskau heißt. Aber jetzt sind sie sofort auch äußerlich als solche erkennbar. Fahnen schmücken nicht mehr Masten, sondern Leute und weibliche Hinterteile. Fliegende Händler versuchen die letzten Flaggen, Tompeten und Arschavin-Trikots an den Mann/Frau/Kind zu bringen. Vereinzelt sind auch deutsche Trikots zu sehen. Zumeist rund ums Gum und den Roten Platz.

Die Zeichen mehren sich. Im Gum lockt das putzige Pärchen (oben links) zum großen vaterländischen Spiele. An den Kneipen und Bars werben Plakate für eine Live-Übertragung im Fernsehen. Durchs Hotel flanieren die Altinternationalen wie Hansi Müller. Zahlreiche detusche Schlachtenbummler haben sich auch schon einquartiert. Sollen ja auch 2500 Germanen Augenzeuge werden wollen.

Für meinereiner heißt es jetzt erst einmal warten. Abwarten und Tee trinken. Warten, dass der Pressebus endlich vorfährt, uns zum Lushniki-Stadion rollt. 80 000 Mann werden erwartet. 80 000 fanatische Anhänger der Sbornaja wollen ihre Mannschaft zum Sieg schreien.

Doch bis dahin dauert es noch so lange. Die Sekunden werden zu Minuten, die Minuten zu Stunden, die Stunden zu Tagen. Zumindest gefühlt. Es nervt. Man will, dass es endlich losgeht.

Wie nur die Zeit totschlagen? Mit dem lallseit ustigen Rumsurfen im Netz der Netze ist das so eine Sache. Man weiß nie, was einen im Stadion erwartet. Gibt es Stromanschlüsse, zu denen der Stecker passt? W-Lan ist auch keine Selbstverständlichkeit auf den Tribünen dieser Welt.Eigentlich sollte man immer mit vollem Akku anreisen, ergo den Laptop und andere technische Geräte in den Stunden zuvor schön brav aufladen. Geht aber nur im Zimmer. Und dort ist das W-Lan nicht kostenfrei. Mit satten 960 Rubeln schlägt ein 24h-Zugang zu Buche. Macht man nicht, wenn es in der Lobby die Verbindung ins WWW kostenfrei gibt.

Fans haben es da einfacher. Sie können sich genüßlich bei einer Gerstenkaltschale auf das Kommende einstimmen. Sie können in den Cafs und Bars dieser pulsierenden Metropole verweilen, zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön und sich in aller Ruhe der zahlreichen Schönheiten dirses Landes erfreuen. Den baulichen und den bestiefelten. Den Miniberocken und den maximal Beseelten. Den Genussmitteln in fester und flüssiger Form. Und überhaupt.

Doch lassen wir das. Genug gejammert. Ab ins Zimmer. Strom bunkern.

Nachtrag: Das Warten hat sich gelohnt. Unser Traum wird endlich wahr. Wir sidn zu Gast in Südafrika.

Und daher spendiere ich ein Lied:

Zur Einstimmung, ein Lied

Es stimmt. Die Wettervorhersage, meine ich. Regen. Regen. Und nochmals Regen. Nasse Füße gab es also gratis. Und als Dreingabe einen Temperatursturz.Gut, dass ich einen Schal mit hatte.

Ach so, ja, bevor ich es vergesse. Natürlich gab es auch Достопримечательности. Zu deutsch oder für diejenigen, die der russichen Zunge nicht so mächtig sind (also meinereiner): „Dostoprimetschatelnosti. Ist ja so etwas wie die Wasserscheide zwischen den gelernten Alt-Ossis und uns zugereisten, real existierenden Besser-Wessis. Meine lieben aus Neufünfland stammenden Kollegen beim Berliner Kurier hätten jetzt ihre helle Freude daran gehabt, wenn sie mein verzweifelt Bemühen, dieses Wort im Netz zu finden, angesichtig geworden wären.Sind sie aber nicht. Denn ich sitze ja jetzt unweit der Moskva, des großen Spiels Russland-Deutschland harrend. Zum Glück im Trocknen. Und sie im fernen Berlin.

Ich bin aufgeregt

Ab geht es. Nach Moskau. Gestern habe ich verzweifelt meinen Reisepass gesucht. Nirgends lag er. Vor allem nicht da, wo er sonst vor sich hin ruht. Himmel hilf. Was für eine Blamage. Da schickt mich mein Laden für horrendes Geld gen Osten, und nun droht die Reise 24 Stunden vor Abflug an meiner eigenen Schusseligkeit schon zu scheitern. Wie bringe ich das nur @alorenza, also meinem Cheffe bei?

Wann hatte ich dieses komische weinrote Teil denn zuletzt? Beim Beantragen des Visas. Visum? Beantragen? Momentmal, da war doch was. Ich musste ihn doch einschicken.

Klasse, mal wieder umsonst aufgeregt. Ich kriege ihn doch heute am Fraport wieder in die Finger. Gut, dass keiner weiß, wie blöde ich mich manchmal anstelle.

Also ab. Morgen/heute früh. Union, Union sein lassen. Ist auch besser so. Regt mich ohnehin gerade tierisch auf, dass irgendwelche Leute, die in den gefühlt letzten 30 Jahren ihre Kohle woanders verdient haben, mit jetzt erklären und vorschreiben wollen, wie mein Verein tickt. Zu ticken hat! Mal abgesehen von irgendelchen Praktikanten, die keine Ahnung von Pressearbeit haben und bis vor drei Monaten nicht mal wussten, wie Eisern eigentlich buchstabiert wird. Aber das sind halt jetzt die Macher.

Tempora mutantur …

Egal ich habe sie alle überlebt. Präsis, Trainer, Markentnder, Geschäftstellenmitarbeiter, Spieler, Ärzte. Alles.

Doch zurück zum Anfang. Frei nach Dschingis Kahn: Moskau, Moskau, spiel die Russen an die Wand, Deutschlanbd ist WM-fahr-Land.

Hatte ich schon gesagt, dass ich aufgeregt bin. Ich mein ja nur. Russisch kann ich nämlich auch nicht.