Für den Papierkorb

Ja mach nur einen Plan. Und sei ein großes Licht (B. Brecht, Dreigroschenoper)

Arbeit, Arbeit, nix als Arbeit. Der geneigte Leser kennt und sieht das nicht. Er hat nur des Morgens das fertige Produkt in der Hand, kann dort schwarz auf weiß oder manchmal auch in bunt nachlesen, was sich denn anderentags zugetragen hat. Dass das, was er dort findet, nicht immer das ist, was zunächst dort hätte stehen sollen, weiß er nicht. Nachfolgend einmal ein kleiner Einblick in den redaktionellen Alltag. Aufgeführt am Beispiel eines Kommentares zum Länderspiel Deutschland vs. Schweden, welches bekanntermaßen historische Dinge hervorbrachte.

Zeit ist nicht nur Geld. Sondern im Redaktionsalltag ein himmlisches Gut. Je früher die Texte von den Außenreportern in den Redaktionsstuben eintrudeln, desto besser. Sie können in Ruhe redigiert werden. Über Überschriften kann eine Minute länger nachgedacht werden, was ihnen qualitativ zumeist gut tut. Auch das manchmal notwendige Kürzen geht ohne Hektik einer sich nähernden Deadline viel leichter von der Hand. Und noch viel wichtiger, je früher eine Ausgabe Abends fertig wird, umso höher die Auflage, die die Leserschaft auch erreicht. Denn die Vertriebswege aus der redaktion via Druckhaus und hin zum Konsumenten sind nicht immer die kürzesten … Bei Abendspielen mit der unsäglichen Uhrzeit 20.45 Uhr kommt es also auf jede Minute an.

Ergo beschloss ich in der Halbzeitpause des Schwedenspiels, meinen Laptop aufzuklappen und den Kollegen drinnen am Alex schon mal den Kommentar zukommen zu lassen. Der las sich dann wie folgt:

Ja, ich gebe s zu. Auch ich war nach der Euro enttäuscht und hatte keine große Lust mehr auf die Jungs im weißen Trikot. Vor allem, weil Jogi Löw hinterher von einem guten Turnier sprach, es partout nicht zugeben wollte, dass er es im Halbfinale verbockt hatte. Wie übrigens schon bei der WM 2010 in Südafrika. In beiden Halbfinalspielen war eine deutsche Elf zu sehen, die nicht ihr Spiel durchdrücken wollte, sondern sich nach dem Gegner richtete. Mit bekanntem Resultat.

Die DFB-Cracks und die großen Turniere, das hatte was von einem  Date mit einer schönen Lady. Man kommt sich näher, es prickelt. Man wird mit nach Hause gebeten, doch an der Tür heißt es: „Tschüss, danke für den Abend.“

Die Quali-Spiele und Testkicks bevor die Saison begonnen hatte, waren ein Muster ohne Wert. Die so gern betonte Serie von bis gestern 13 Quali-Siegen in Folge rissen einen nicht vom Hocker. Das, was zählte, wurde ja immer verpasst.

Doch gestern haben mich Klose, Özil & Co. geheilt, überzeugt, begeistert. Was sich schon  in Irland abzeichnete, erfuhr im Olympiastadion seine Fortsetzung. Es wurde auf dem Rasen gezaubert, die Stimmung war pure Fußball-Gänsehaut. Ja, man kann sich wieder mit Jogi und seinen Jungs freuen. Schlaaaaaand!

Vorausgegangen war noch eine kurze inhaltliche Diskussion mit meinem Chef, der das ganze ein klein wenig zu negativ sah angesichts einer 4:0-Führung, es dann aber achselzuckend mit den Worten „Dein Name steht drüber“ abnickte.

Ich wards zufrieden. Als Augenzeuge des Halbfinal-Aus‘ in Durban anno 2010 nagte in mir dieser Gedanke der Löw’schen Fehlerwiederhlung. Ich hatte das nirgends gelesen – was nicht heißt, dass es nicht doch einer geschrieben hatte -, und war froh, etwas, was mir in unter den Nägeln brannte, an den Mann gebracht zu haben. Zudem hatte ich den Kollegen drinnen etwas Luft verschafft und das gute Teil in Minute 60 abgeschickt. Was mir wiederum im Olympiastadion – die Wege dort sind weit zwischen Pressetribüne, Pressekonferenz in der Aufwärmhalle unterhalb des Marathontors und der dort in der nähe befindlichen Mixedzone – Luft verschaffte. Man konnte jetzt also ohne Gehetze in aller Ruhe zwei, drei Minuten vor dem Abpfiff dort hingehen, die vielen Höhenmeter leicht überwinden und zudem dem Strom der aus den Blöcken eilenden Fans entgehen. Perfekt sozusagen. Und nun lehnte ich mich ein wenig zurück, harrte der Dinge, die da kommen sollte.

Und – leider – auch kamen. 4:1 durch Ibra. Wir blickten uns an. Ein Schönheitsfehler. Nicht schlimm. 4:2? Hm, nun ja. Noch kann man den Kommentar stehen lassen. Dieser Leichtsinn, der musste im Spielbericht und in der Analyse aufgefangen werden. Heute nicht meine Baustelle.

Es kam das 4:3. Und es hätte nicht mal den Worten meines Chefs bedurft, dass der Kommentar wohl so nicht mehr ginge. Also, Laptop hochgeklappt, Ressettaste gedrückt. Info an die Redaktionsstuben, der Kommentar kommt neu. was nicht heißt, dass ich sofort eine Idee parat hatte, was ich denn schreiben wollte. Die entwickelte sich zum Glück bei den ersten Zeilen. Und nun hieß es sich sputen. Viel Zeit war nicht. Zumal die Zeilenvorgabe bei so etwas auch noch einzuhalten ist. Jede zeiel zu viel bedeutet Aufwand für die Binnenarbeiter. Kürzen ist nicht immer einfach, wenn es nicht sinnentstelend werden soll.

 

Hui, was war denn das? Die Schöne und das Biest? Zwei Gesichter zeigte die deutsche Nationalelf gestern Abend vor der stimmungsvollen Kulisse des ausverkauften Olympiastadions. Sechzig Minuten begeisterten Jogis Jungs, knüpften nahtlos an ihre Gala-Vorstellung aus Dublin an, wo sie bemitleidenswerten Iren das Fell über die Ohren gezogen hatten. Das ganze Stadion hielt gebannt den Atem an. Sollte Miro Klose womöglich mit einem Vierer-Pack den Rekord von Gerd Müller schon jetzt brechen? Aber dann …

Scheinbar angekommen im Olymp hielt Bruder Leichtfuß Einzug. An allen Ecken und Enden. Und auf einmal zeigte das Tre- Kroner-Team all die Tugenden, vor denen Löw zuvor so heftig gewarnt hatte. Mit welcher Leichtfertigkeit Schweini, Lahm und Co die Partie fast noch hergeschenkt hätten, war schon unfassbar. Es ging immer weiter im Hurra-Stil nach vorne, egal wie oft es hinten klingelte. Taktisches Unvermögenden kann man das nennen. Oder eben fehlende Reife, die schon bei der Euro in Polen und in der Ukraine den großen Triumph versagt hatte. Und nur dem Unvermögen der Schweden war es zu verdanken, dass am Ende doch noch die drei Punkte im Sack waren. Diese Torflut erfreute das Fanherz hüben wie drüben. Aber die Sorgenfalten auf der Stirn von Löw dürften bestimmt nicht kleiner geworden sein.   

Puh, Geschafft. Schweißperlen von der Stirn gewischt und in Minute 90 beim Stande von 4:3 abgeschickt. Und ja, der geneigte Leser weiß es ja, die Defekthexe schlug noch einmal in Form des schwedischen Ausgleiches zu. Lange Gesichter in den Pressereihen. Kurzer Anruf in die Heiligen Hallen, während ich im Laufschritt mich auf den Oberrängen in die Katakomben aufmachte. Beruhigende Worte von drinnen, neu schicken sei nicht nötig. sie würden das schon hinbiegen können.

So sah die endgültige Fassung aus. Man beachte den letzten Absatz, der von den Kollegen in letzter Minute noch angepasst wurde.

Und nun? Eins muss ich noch sagen. Im Grunde bin ich sogar froh über den Ausgleich. Sonst hätten wir uns nur wieder die schöne Mär von den vier Startsiegen anhören dürfen. Wenn es wirklich das von Löw propagierte Lernspiel war, dann besteht ja noch Hoffnung, dass diese deutsche Elf endlich reift und titelwürdig wird. Sonst bleibt nur die Erinnerung an einen hektischen Abend.

 

 

Namesdropping

Große Turniere sind immer wieder auch Zeiten, in denen  nach großartig klingenden Synonymen oder Varianten gesucht wird. Manche sind ganz simpel und liegen nun mal auf der Hand. Der Titelverteidiger beispielsweise. Wahlweise auch amtierender Europameister oder Champion. Das Mutterland des Fußballs wird auch immer wieder gerne bemüht, wenn es um die „Three Lions“ auf dem Hemde geht. Co-Gastgeber dagegen sind ja erst seit der Euro 2000 in Belgien und den Niederlanden in Mode.

Von der Trikotfarbe leitet sich ja auch einige Spitznamen ab. Kaum ein Kommentator, der an „La Roja“ oder „La Furia Roja“ für Spanien oder  „squadra azzura“ für Italien. vorbeigeht. Man parliert locker von „les Bleus“ oder der „Elftal“ respektive den „Oranjes“, wenn es um Frankreich oder Holland geht. Klingt weltmännisch. Erfahren. Wissend. Gebildet halt.

Danish Dynamite scheint zwar etwas aus der Mode gekommen, ist aber auch noch allgegenwärtig. Die „Olsenbande“ ist da derzeit etwas geläufiger aufgrund ihres Trainers Morten Olsen.

Natürlich macht dieses Phänomen nicht vor europäischen Grenzen halt.  Wenn die Vokabel Albiceleste erklingt, weiß jedes Kind, es geht um Messis Argentinier. Die Socceroos für die Fußball-helden aus Down Under ist fast selbsterklärend, wenn man die dortige Fauna kennt.

Berichte über Brasilien hingegen quellen über vor Wörtern wie Selecao, Zauberer vom Zuckerhut oder – eine Nummer schlichter, aber dafür umso häufiger strapaziert – Rekordweltmeister-Erwähnungen. Es kommt wie aus der Pistole geschossen. Rekordweltmei… ? Brasilien!! Na, logo. Ist doch babyeinfach!

Und wir? Niente. Nix. Nada! Selbst die Vokabel Rekordeuropameister liegt als Alternative für ’schland quasi brach.

Fürchte aber, Häme wird ja gerne mal ausgegossen, dass wir im Falle einer Finalniederlage dann ein neues Synonym bekommen werden. Dann wären wir nämlich alleiniger Rekord-Vize-Europameister ….

Ein Stern der meine Hoffnung trägt

Wer schreibt, will gelesen werden. Meistens jedenfalls. Sei man Blogger, Autor oder Redakteur. Man erhofft sich Resonanz. Feed back, wie es so schön auf neudeutsch heißt.Im Internetblog schlägt sich das dann oft in Kommentaren nieder. Was den Herren Schreiberling (oder auch die Frau Verfasserin) gemeinhin erfreut. Hach, ich werde wahrgenommen.

Dass man auch zu viel Feed back bekommen kann, durfte ich diese Tage leidvoll erfahren. Alles, was ich je verfasst und ins Netz gestellt hatte, war nichts gegen den Zulauf, den mir eine kleine Facebook-Applikation verschaffte. Dabei hatte ich nicht mal was geschrieben. Es ging es nur um einen Stern, den ich meinem Profilbildchen hinzufügte. Ein Stern, der meinen Namen Hoffnung trägt.

Gut, es ging nicht um irgendeinen x-beliebigen Himmelskörper. Sondern um ein Gimmick, dass in Südafrika seine Erfüllung bekommen soll. Es geht um den Stern, den ein Fußball-Weltmeister sich ans Revers heften darf. Deren drei  (54, 74, 90 – sie erinnern sich) ja schwarz, rot und gold trägt der Deutschen liebste Ballsportgruppe derzeit auf der Brust. Sehr zur Freude des Ausrüster Adidas, der ja die drei Streifen marktingtechnisch sehr schön nutzt und daher mit drei Sternen in den bundesdeutschen Farben keine Problem hat. Kurz ich ich beteiligte mich an der Facebook-Gruppe  DervierteStern. Kuckst du hier:

Hach, was hatte ich damit angerichtet. Pling, Pling, Pling machte es auf dem iPhone. Kommentare, Meinungen, Verwünschungen noch und nöcher bei Gesichtsbuch. In einem Ausmaß, das ich mir gerne für meine sonstigen Beiträge hier im „Wanderer“ oder bei „Spreegeflüster“ gewünscht hätte.  Ein simpler, verf…er Stern und ich wurde wahrgenommen. Tolle Wurst.

Das einzige, was mich jetzt noch interessiert: Was machen eigentlich die Heren von Adidas, falls wir wirklich rauf auf den Fußballtrohn klettern? Ändern sie dann ihhr Logo und Marketingkonzept zu: The Brand with the four stripes?

Cardiff, 12.30 Uhr, die Frisur sitzt

Nun also Wales, diese 3 Millionen Einwohner umfassenden Halbinsel im Westen von Großbritanien. Genauer gesagt deren Hauptstadt Cardiff. Immerhin noch 300 000 Mann/Frau/Kind/Kegel schwer. Und dann trat herein ins Hilton in den Ballsaal, der Bundesjogi. 12.30 Uhr. fast pünktlich. Und die Frisur saß.

Munter hub er an zu parlieren, ob der gestellten Zielstellung (derer da war, oh Wunder, der Punkte drei), über „högschde Konzentration. Er sang das hohe Lied der Körperlichkeit (auf dem Platz natürlich, nicht was ihr Ferkel schon wieder denkt) und sinnierte über die zwei, drei Überlegungen, die er im Kopf habe bezüglich der Aufstellung . Aber partout natürlich nicht da rauslassen wollte. Andere Trainer läsen ja auch Zeitung, gelle!  Zumindest nicht rauslassen bis zum Anpfiff des WM-Qualifyers gegen die „Roten Drachen“ aus Wales. Und bei all dem saß die Frisur unverrückbar. Zentimetergenau. Festgemauert in die Erden, ach ne, das war was anderes. Tschuldigung.

Dabei spielt der Fußball in Cardiff keine große Rolle. Vom Länderspielfieber war wenig zu merken.Keine Plakate, keine Werbung. Dafür prangte am wunderschön mitten zwischen Innenstadt, schmalen Gässchen und dem Flüsschen Taff  gelegenen Millenniumstadium ein ganz anderer Veranstaltungshinweis:

Scheint so, als ob Rugby die absolute Nr. 1 in Wales ist. So sieht die Schüssel übrigens von außen aus:

Schönen Gruß von Benjamin Blümchen

So werden sie uns also erfreuen, unsere afrikanischen Mitmenschen südlichster Ansiedelung. Einen Vorgeschmack hatten wir ja schon beim Confed-Cup diesen Sommer. Nun war der Confed-Cup-Vierte zu Gast in Leverkusen. Und Benjamin Blümchen mittenmang. Na, ja. Aber all die Hupen und Hörner bei TV-Übertragungen von EC I bis EC III aus dem RGW-Bereich waren ja auch gewöhnungsbedüftig für westlich sozialisierte Ohren. Törö …

Wanmomi?

„Wanmomi?“ Irgendwie war ich irritiert. Wie bitte? Äh sorry, falsche Sprache: What? „Wanmomi?“ Äh, wie jetze? „Wanmomi?“ Die Frage, so viel ließ sich immerhin durch Satzmelodie feststellen, wurde in ebenso freundlicher Hartnäckigkeit wie steigender Tonart vorgetragen.

Der geneigte Leser weiß es ja breits, dass ich mich derzeit in Cardiff befinde. Und auch des idioms, dass man gmeinhin für die weltsprache nr,1 hält so halbwegs mächtig bin. Doch dieser Satz, vorgetragen mit stoischem Gleichmut und dem professionellen Lächeln des indisch-pakistanischen Kulturraumes, überforderte meine Sprachkenntnisse. Es ließ sich auch nich auf die zahlreichen Nebnegräusche wie Tellerklappern, Löffel-rühren oder Küchen-Gebrutzel schieben. Ich verstand ihn einfach nicht. Indisches Englisch ist halt doch eine ganz eigene Weltsprache.

Was man von mir gewollt hatte, dämmerte so langsam, nachdem besagte Person dann freundlichst ein kleines Kännchen Milch für meinen Kaffee auf dem Frühstsückstisch abstellte.