Wo man singt, da lass dich nieder

Ne, ja, ist klar. You’ll never walk alone. Muss man glaube ich nicht groß drüber reden. Auch wenn mir das Vergnügen an der Anfield Road leider noch nicht zu teil war.  Und Geschmäcker sind auch verschieden, ich weiß. Und doch hat mich mein letzter Kurztrip nach Karlsruhe (der mit insgesamt 12 Stunden Bahnfahrt hin und zurück eigentlich doch nicht so kurz war wie der Name vermuten lässt) mal wieder dazu gebracht nachzudenken. Welche Lieder in Stadion finde ich gut? Welche akzeptiere ich, obwohl sie Mist sind, aber halt genau dorthin passen, wo sie voll Inbrunst gesungen werden. Was geht gar nicht?

Das Badener-Lied fällt für mich in die vorletzte Kategorie. Erstens klingt es an der Dreisam beim SCF viel wirkungsvoller. Und zweitens hat  es verdammten Ohrwurmcharakter und verfolgt einen Tage lang. Aber, es gehört dahin. Und das ist auch gut so.

Großartig ist für mich ja auch das Millerntor. Hier in Vorfreude auf den 29. November das Beispiel meines letzten Besuchs beim Kiez-Klub. Es war ein schönes Spiel. Nur schade, dass der Schiri es nicht gesehen hatte. Noch immer klingen mir unsere freudigen 5:1, 5:1-Gesänge in den Ohren. Was zwar nicht der Realität entsprochen hat, aber unserem Gefühlszustand.

Gleiche Stadt, anderes Stadion. Dem Kollegen @nedfuller möchte die Perlen zwar am liebsten den Säuen vorwerfen (was ich ihm als Dauerkonsumenten dieses Liedes nicht groß ankreiden mag), aber ich, als immer wieder nur temporärer Rezipient  der King-Karlschen-Gesangsdarbietung, möchte es dort nicht missen.

Über Oberhausens Missfits habe ich mich hier schon mal ein klein wenig ausgelassen. Über Grölimeyers Herbert möchte ich nicht weiter groß Worte verlieren. Die Doppelpassunfähigkeit der dort ansässigen Kicker ist eben so legendär wie des Sängerbarden Tanzunfähigkeit. Aber bei  den „einstmals Unabsteigbaren“ vom VfL hat das Ding seine Berechtigung.

Und nach all den imho schönen und passenden Beispielen hier nun mein absolutes Downlight: Zebrastreifen weiß und blau, hier kotzt spielt der Em-Es-Fau.

Und bevor mich jetzt einer für meine Überschrift schilt, Sitzen sei für den Arsch. Über die Hymne im schönsten Stehplatzstadion Deutschlands brauchen wir uns gar nicht erst unterhalten. Unübertroffen. Allein schon durch das Intro und die Überleitung. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Szenen meines Lebens VII

Sonntag früh, Göttingen, Bahnhof. Quasi einen Steinwurf von meiner ersten Studentenwohnung unweit der Tagente entfernt. Südseite. Ein wettergegerbtes Gesicht, rauchend auf der Südseite. Wenig später dieselbe Gestalt am Nordausgang, also dem zur City hin. Eingestiegen wie ich in Berlin. Und mir war sofort klar, wo er hin wollte. Auch wenn ich keinem Namen zu dem Gesicht hatte. Karlsruhe war das Ziel. Genau wie bei mir. Hin zum 1.FC Wundervoll auf seinem Trip durchs Abenteuerland namens 2. Liga. Sagte ich schon, dass es früh war? Ich meine, verdammt früh. Eine Abfahrtszeit in der Hauptstadt so um 5.20 Uhr ist kein Zuckerschlecken für eine Protuberose so wie mich. Da schmeckt sogar der beste Kaffee nur nach Nacht.

Irgendwann, also gefühlt nach zwei bis sechs Schlucken meines Bürgertumkaffees (Sorry DB, eure Preise sind einfach nicht mal mehr mit Apothekerpreisen korrekt zu beschreiben), kam man dann doch ins Gespräch. Kurz nach seinem Telefonat mit dem V.I.R.U.S.-Bus. Was man denn sich erhoffe vom Spiel und so. Ob ein Punkt gut oder schlecht wäre („Ich hab nüscht einjeplant“). Und ob die vielen Ausfälle der Mannschaft schaden würden. (Was auch nur eine dusslige Bildschlagzeile war, denn es fehlte ja mit John Jairo nur eine Stammkraft). Dauerte auch nicht lang, bis er sich über seine Sonntagmorgen-Lektüre erregte. Was die wieder schreiben würden. Na aber hallo, da war er ja bei mir gleich an den Richtigen geraten.

Die ebenso dezente wie bewusst gestellte Nachfrage, was er denn so alles zwischen Ostbahnhof und Göttingen gelesen habe, ergab eine rasche Eingrenzung des Problems und die Erkenntnis, dass er sich primär über die BZ erregte und den Inhalt des Kuriers („Die waren nicht ganz so schlimm“) schon fast wieder vergessen hatte. Punkt eins gefiel mir, Punkt 2 war weniger schmeichelhaft, auch wenn er später dann doch inhaltlich leicht revidiert wurde. Denn dass Mac auszufallen droht, hatte er sich dann doch gemerkt.

Doch zurück zur BZ. Wie nicht wenigen Eisernen missfiel ihm das Stilmittel der Übertreibung, die – seiner Meinung nach – stete Suche der Medien nach dem Besonderen, dem Exaltierten. Diesmal ging es um den möglichen Startrekord eines Aufsteigers, den man im Hause Ullstein ausgemacht hatte. „Das interessiert mir nüscht. Die schreiben immer so nen Scheiß. Entweder wir marschieren durch oder sind eine Schrottelf.“ Mal abgesehen davon, das er da nur wieder das bundesdeutsche Leidorgan mit den vier Buchstaben inhaltlich zitierte, blieb die Erkenntnis: Man(n) vermisst Bodenhaftung. BZ, Kurier, alles dieselbe Soße, so sein ernüchterndes Fazit.Alle die Jahre, all das Bemühen, sind die wirklich umsonst gewesen?

Natürlich ließ ich es an vorsichtigen Hinweisen nicht mangeln, dass es manchmal auch auf den Autoren der Geschichten ankomme, man nicht immer alles über einen Kamm scheren dürfe. Die vorsichtige Zustimmung die er in seiner Morgenmuffelei dann herausbrummte, erwies sich aber als vergiftetes Kompliment. „Ja, da ist noch so einer. Der vorne immer die Kolumnen schreibt. Aber nicht der Simon, Der andere.“ Vorne? Kolumne? Der andere? Mist, musste meinen Chef meinen. Die Kommentarspalte ist so etwas wie sein ureigenes Hoheitsgebiet. Selten, dass sich da mal einer seiner Subalternen verlustieren darf. Durch sein leises „Der Bunkus ist nicht so schlimm. Der macht dit janz ordentlich“, wurde ich dann unversehens doch aus meinem Trübsal-Gebläse gerissen.

Na also, da war es doch. Frohlocken! Jubeln. Hosianna. Welcher Autor hört das nicht gerne. Nicht anonym die XYZ-Gazette, nicht das Bunte Blatt oder die Wilde Woche, nein, volle Namensnennung. Dass er mir im gleichen Atemzug allerdings auch noch weiß machen wollte, dass besagter Bunkus ja kaum noch schreibe („Der macht jetzt vorne immer bei Hertha mit“) ließ mich den Glauben an Rezipierfähigkeit unserer Leserschaft aber schon wieder schnell verlieren. Hertha? Icke, äh, ich? Um es mit dem guten alten Schiller (Friedrich, nicht Ingo!) zusagen: Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht.

P.S. Bitte jetzt nicht falsch verstehen. Ich habe nix gegen die alte Dame. Sie langweilt mich nur so unsäglich. Und weiß genau, dass es für die Balltreterzunft in der Hauptstadt besser ist, wenn sie drin bleiben in der Bel Etage des deutschen Fußballs. Derby, wenn sie denn endlich einmal auf der Tagesordnung stehen würden, mögen doch bitte schön im Oberhaus stattfinden. Von Zweitligaduellen „auf Augenhöhe“ keiner was gesagt.