Der Bunkine erster Streich

IMG_8099

Fotos: Bunkine

„Lass sie doch mal was schreiben.“

Bitte, was?

„Na ja, wenn sie mit dir der Pressetribüne sitzt, kann sie doch mal schreiben, wie ihr das Spiel gefallen hat.“

Hm. Stimmt eigentlich. Christian hatte da völlig Recht. Wenn schon, denn schon. Und ich musste das noch nicht mal forcieren. Denn Stift und Notizen bewegten sich beim letzten Heimspiel wie von selbst. Unaufgefordert. Scheint irgendwie etwas von meinen Genen abbekommen zu haben, die Gute.

Der geneigte Leser ahnt es vielleicht bereits, wovon hier in dem kleinen Gespräch zwischen Unions Pressesprecher und mir die Rede ist. Und ich will ihn auch nicht groß auf die Folter spannen. Es folgt ein Gastbeitrag im Wanderer, sozusagen der Bunkine erster Streich:

Als Fabian auf einmal Stürmer war …

Freudige Erwartung, Fangesänge auf den Tribünen, Freudenschreie – So könnte man den Nachmittag in der „Alten Försterei“ beschreiben. Das letzte Spiel der Saison für Union, dazu noch im heimischen Stadion und mit einem Wetter, wie es im Buche steht. Was passte denn da besser als ein Sieg? Ein Sieg als krönender Abschluss einer doch recht durchwachsenen Saison, ein Sieg als ein Zeichen, dass Union jedes Spiel ernst nimmt. Und als hätten sie die Wünsche der 21.717 Zuschauer vernommen, legten sich die Eisernen ins Zeug. In der ersten Halbzeit konnte man zwar noch nicht viel davon sehen, denn weder Braunschweig noch Union erzielten ein Tor. Chancen gab es auf beiden Seiten genügend, doch der Ball schien eine gewisse Phobie zu haben. Ob vor dem Tor oder dem Torhüter selber war nicht klar. 0:0 lautete der Zwischenstand zur Halbzeit, was nicht weiter tragisch, aber dennoch ernüchternd war. Denn es ging, im Gegensatz zu sieben anderen Partien, weder um den Ab- noch um den Aufstiegskampf. Doch das sollte Union doch eigentlich nicht davon abhalten, trotzdem Gas zu geben?

Fabian Schönheim war es schließlich, der sich entschied, noch mehr Jubel auf den Rängen hervorzurufen, die in der Halbzeitpause mucksmäuschenstill gewesen waren, als Christian Arbeit den Brief der Eltern der 18-jährigen Hanna, die in Wuhletal ermordet worden war, vorlas. Doch nun war der Geräuschpegel wieder gestiegen. Meilenweit von seiner eigentlichen Position entfernt, funktionierte er sich selbst zum Stürmer um und hämmerte den Ball ins Netz (48.).

Braunschweig? Geschlafen in Decarlis Fall, geholfen in Kessels Fall. Als zukünftiger Unioner wollte er sich schon einmal jetzt bei den Fans beliebt machen und gab Schönheim durch einen fatalen Fehlpass die Chance zur Führung. „Wir haben es zwei-, dreimal verpennt, den Ball wegzuschlagen. Es war eine unglückliche  Situation und wir haben alle geschlafen“, so Kessel nach dem Spiel.FullSizeRender

Doch damit nicht genug. Angespornt durch Schönheims Führungstor, fiel Sebastian Polter sein Ziel wieder ein, welches er sich gesetzt hatte: 15 Tore. Dafür fehlten aber noch 2. Nach einem leider nicht zählenden Tor (50.) aufgrund einer gelben Karte für den Braunschweiger Marc Pfitzner (31), versenkte Polter das Runde Leder doch noch im Kasten von Keeper Marjan Pekovie (59.). 2:0 für Union und Sebastian Polters 14. Saisontor. Damit war sein Ziel in greifbarer Nähe. Doch halt… 14 Tore in einer Saison… Na? Klingelt es bei Ihnen? Richtig. Sreto Ristic stellte diesen Zweitliga-Bestwert der Eisernen in der Saison 2001/02 auf. Zeit diesen zu brechen, fand Polter und setzte sich so sein Ziel. Das Stadion feuerte ihn tatkräftig an, doch es blieb bei 14 Toren. „Ich hatte es mir ja schon vor der Saison vorgenommen, weil ich ja natürlich diesen Rekord wusste von Ristic. Und ich hätte gerne den Rekord geknackt, sage ich ganz ehrlich, und jetzt habe ich ihn nur leider eingestellt. Aber für mich ist viel, viel wichtiger, dass wir heute mit der Mannschaft einen super Saisonausklang hatten“, so Polter nach dem Spiel.
Und das hatten sie alle Male. Endstand 2:0 für die Eisernen. Damit hatten sie wieder bewiesen, dass sie auch kämpfen, wenn es eigentlich um nichts mehr geht. Doch ein Sieg zum Saisonabschluss ist doch ein wunderbares Gefühl, nicht wahr? Und in der Tabelle noch einen Sprung auf Platz 7 mit drei Zählern mehr als im letzten Jahr. Na wenn das kein Grund zum Feiern ist! Glückwunsch Union!

 

 

Sternstunde der Fan-Scheit

1099187_t1w210h293v29226_Berliner_Kurier

Es war so etwas wie der Running Gag des Sommers. Wen man auch traf, egal wo. Man raunte es sich zu. Unaufgefordert. Es musste, aber sein. „Da fehlt ein Stern“, verkündete man mit einem schelmischen Grinsen, als gehöre man einer geheimen Sekte an. Der andere nickte. Anerkennend. Amüsiert. Wissend, dass das ja nicht anders ging. Denn so sehr die Marketender der Weltfirma auf Zack sind, das hatte keine Maschinerie der Welt leisten können.

Und so stolzierten wir in unseren Dreistern-Trikots durch die Straßen. Lustwandelten an den Ostseestränden und wisperten allen anderen gar nicht so geheimen Geheimnisträgern ein ums andere Mal fröhlich die Parole zu: „Da fehlt ein Stern.“

Was ein Sommer. Vielleicht nicht der von Gundermann besungene „zweitbeste„. Aber immer einer, der nicht so schnell in Vergessenheit geraten würde.

Sicher, die strahlende Jahreszeit hatte auch all das wider hervorgebracht, auf das ich getrost verzichten kann. Wespen! Flip-Flops im Straßenbild und nicht nur in Sanddünen. Lackierte Fußnägel in einer Vielzahl. als gelte es dadurch die Welt zu retten. Und Barfußgänger in einer dreckigen Großstadt. Wir wollen nicht die Barfußgänger vergessen.

An und für sich ist gegen so textilfreies Endbein gar nicht so viel einzuwenden. Es hilft sogar gewissen, wenig wohlfeilen Gerüchen vorzubauen. Aber baren Fußes doch bitte schön dort, wo es sich gut anfühlt. In feuchtem Gras, auf dem sich der Morgentau gegen seine bevorstehende Verdunstung wehrt. Oder im manchmal viel zu heißen Ostseesand. Aber nicht in vergotteten, mit Glasscherben und sonstigem Unrat übersäten Asphaltdschungel.

Es war der Sommer, an dem ein schon in die Jahre gekommener Song der Sportfreunde Stiller endgültig zu Grabe getragen wurde. Sie wissen schon: das unsägliche 54 – 74 – 90 – 2006, das wenig später um vier Jahre erweitert werden musste. Nun war es endgültig Zeit, sich davon zu verabschieden. Nicht mal, weil eine zeitgemäß adaptierte Version sich phonetisch nicht gut angehört hätte. Sondern weil dem einstmals Gassenhauer schlicht und einfach die Grundlage entzogen worden war.

Den er fehlte ja nicht mehr. Wir hatten ihn – den viel besungenen vierten Stern. Geholt im fernen Brasilien.Bewundert und bejubelt auch hier in Berlin. Stehend mit der Bunkine auf dem Sofa im WM-Wohnzimmer. Singend. Hoffend. Fluchend.

Manchmal staunend. War das möglich? War das echt Brasilien? Ich saß in Kärnten und starrte ungläubig den Bildschirm in einer Pizzeria an, während die Bunkine zu Hause um den Laptop tanzte. „Das muss man erlebt haben. Das glaubt einem keiner“ schickte sie mir via Facebook. Und hatte Recht. Aber so was von.

Wir wurden mitgerissen auf einer Woge der Begeisterung. Auf einer Welle der Euphorie. Nicht mal mein durchnässtes Beinkleid beim Finale – ja, es hatte mal wieder geregnet und die Plane über dem Sofa hatte sich gegen das Abdecken zu wehren versucht – konnte einen erschüttern. Obwohl es im ersten Moment sich leicht frostig anfühlte. Zumindest unterkühlt.

Doch bei dieser Sternstunde der Fanscheit war uns alles gleich. Wir saßen nur da, drückten die Daumen, kauten an den Fingernägeln. Und harrten der Dinge, die da kommen mögen. Sicher, die anderen hatten Messi. Doch wir waren der festen Überzeugung, dass wir Zeugen eines historischen Ereignisses werden würden. Das hatte sich eingebrannt durch das unauslöschliche 7:1 gegen die Gastgeber. Heute konnte nicht schiefgehen. Wir waren das bessere Team. Wir hatten den besten Fußball geboten. Es würde so was von verdient sein. Wir saßen da mit einer Hingabe, wie wir sie vielleicht sonst nur einem Fünf-Gänge-Menü in beschaulichem Ambiente aus den Händen eines Sternekochs entgegengebracht hätten.

Tage wie diese, summte automatisch durch mein Hirn. Gepaart mit Fetzen einer einstmals auf Helgoland verfassten Hymne. Und dann war es endlich soweit. Ein Götzendienst brachte uns den Moment. Der Stern war da. Und mit ihm der Running Gag des Sommers – „Da fehlt ein Stern“.

Parkplatz des Grauens (Szenen meines Lebens XII – nicht zwingend in chronologischer Reihenfolge)

Hach. Ein freier Parkplatz. Und nicht nur einer. Die ganze Straße. Der ganze Park am Ostkreuz. Äh, frei? Alles? Wtf? Ich weiß nicht, wie viele Sekundenbruchteile es brauchte, ehe es mir dämmerte. Da bedurfte es fast schon gar nicht mehr des Blickes auf das temporäre, absolute Halteverbotsschild. Das war nur die finale Gewissheit. Mist. Mist. Und nochmals Mist.

Schwertransport. Wahrscheinlich für die Bauarbeiten an unser aller Rostkreuz. Daher war dieser Raum frei zu machen gewesen. Für nicht mal 20 Stunden. Was ja kein Problem gewesen wäre. Wenn ich die Schilder gesehen hätte, als ich am Samstagabend nach dem Grottenkick gegen Ingolstadt nach endlosem umhercruisen nicht so froh über die den allerletzten Parkplatz in ungefährer Nähe meines Domizils gewesen wäre. Tirilili, welch Glückes Geschick,  hatte ich da noch gedacht. Gut Ding will eben Weile haben. Hatte schon weiter weggestanden. Und da ich das gute Gefährt bis zum nächsten Ausflug zur Bunkine nicht benötigen würde, verabschiedete in mich von meinem getreuen Vierreifler frohen Mutes auf ein baldig Wiedersehen in drei Tagen.

Doch es kann der Beste nicht in Frieden parken, wenn es dem bösen Wanderungsverkehrszeichen nicht gefällt. Ja, ich weiß, plötzlich auftretende Halteverbote wegen Umzuzg und so kannte man. Davor sollte man als Wahl- oder Ur-Berliner immer auf der Hut sein. Aber diese modernen Wegelagerer des Straßenverkehrs, diese Raubritter in Blechgestalt waren doch alle immer streng an der Wand lang. Also vor den Häusern und nicht auf der Parkseite. Da kuckt man zweimal hin! Mindestens. Nicht im Traum hätte ich aber mit so etwas gerechnet. Missmutig grummelte ich vor mich hin. Und das nachfolgende Gespräch mit den Herren Ordnungshütern, wo mich denn mein edles Blechross erwarten würde, stimmte mich auch nicht froher.

Ein lockerer Fußmarsch durchs beschauliche Friedrichshain harrte meiner. Und zu spät zur Bunkine kam  ich auch noch. Dass mich zudem mal wieder Fanpost vom Polizeipräsidenten erwarten würden, wollen wir dabei nicht unerwähnt lassen. Hatte ich schon Mist gesagt?  Ganz ehrlich, dass war der teuerste Parkplatz meines Lebens.

Eye(s) without a knife

Ich hab’s jetzt schriftlich. Nein, wenn ich ehrlich bin, nicht einmal das. Denn eine Kopie wurde mir nicht ausgehändigt. Also müssen Sie es mir einfach mal so glauben. Machen wir’s kurz: Ich bin nicht gerade das, was man guten Umgang nennt. Ich bin – atmen Sie bitte kurz durch – ein Krimineller. Wahrscheinlich sogar ein Schwerstkrimineller! Von mir bis zu den Schulen des Terrors im nahen Osten ist es nur noch ein winzigkleiner Schritt. Doch, doch!

Glauben Sie nicht? Ging mir bis vor kurzem eigentlich auch so. Schließlich zahl ich brav meine Steuern, entrichte meinen GEZ-Obulus. Im Schoß von Mutter Kirche bin ich auch immer noch drin. Und kümmmere mich zudem immer wieder vorbildlich um die darbenden Umsätze notleidender Wirte. Kurz, nichts, was ich mir vorzuwerfen hätte.

Nichts. Außer Ehrlichkeit! Und genau die wurde mir bei einem Ausflug mit der Bunkine zum Verhängnis!

Manch einer hat ja schon mitbekommen, dass ich in den Herbstferien meinen Vaterpflichten fröhnte und das Töchterlein zu einem Trip nach London lud. Und eine der dortigen Attraktionen ist ein berühmtes Riesenrad, das London Eye! Ansehen allein ist nicht. Natürlich wollte das beste Kind von allen auch da rein. Aber so was von! „Du kennst mich doch“, war die einzige Antwort auf die Frage, ob das denn sein müsse.

Wat mutt, dat mutt, heißt es ja. Was allerdings nicht gemusst hätte, war die Personen- und Taschenkontrolle vorher. Rucksack auf, Hand reingeschoben, umgerührt, fertig. Rucksack zurück. Die Laxheit war schon beeindruckend. Und mehr zu mir selber als unbedingt zu der Aufsichtsperson sprach ich die folgenschweren Worte: „Was suchen sie eigentlich?“

„Messer und Waffen“, lautete die lapidare Antwort. Ehe ich es mich versah, sprach ich auch schon aus, dass ich einen seit Jahren treuen Reisebegleiter in dem eigentlich schon durchsuchten Objekt hätte. Mein schönes Taschenmesser, dass sich auf Reisen als unentbehrlicher Helfer entpuppt hatte. Sei es zum Äpfel schneiden für den Nachwuchs. Manch widerspenstige Verpackung gab unter seinem nimmermüden Einsatz den Widerstand auf. Es hatte Holz, Plastik, Obst, Brote und Käse bearbeitet. Weit gereist war das gute Stück auch. In West Virginia hatte es treue Dienste geleistet, in der Toskana war es ein Vorbild an unermüdlichen Einsatz. Sogar über WM-Erfahrung in Südafrika verfügte das gute Stück. Kurz, kaum ein Kontinent, den ich in all meinen Lebensjahrzehnten betreten hatte, war ihm fremd geblieben. Dass sich nun ausgerechnet im Herzen Zivil-Europas unsere Wege trennen sollten, hatte keinem von uns geschwant!

Nun gut, es entbehrt nicht einer gewissen Logik, dass man Stichwaffen nicht in den geschlossenen Gondeln, die Raumkapseln nicht unähnlich sehen, duldet. Wie soll man sonst irgendwelchen potenziellen Amokläufen vorbeugen? Frohen Mutes händigte ich also den getreuen Diener dem verdutzt ob seiner Nachlässigkeit dreinschauenden Bediensteten aus, um es dann nach absolviertem „Flug“ – so die Eigenbeizeichnung für eine Fahrt mit dem London Eye – wieder abzuholen. Ist ja kein Ding.

Doch, der getreue Leser ahnt es vielleicht schon, fehlte ich kolossal mit dieser Annahme, dass das vermeintliche Poblem dadurch aus der Welt geschaffen sei. Erst wurden wir aus der Schlange komplimentiert, dann mit einem abfälligen Blick gestraft, der jedem Misanthropen zu Ehre gereicht hätte. Woher ich das hätte? Ob mir klar sei, das ich hier gegen geltendes Gesetz verstoßen hätte, wurde mit frostiger Stimme gefagt. Im UK sei das Tragen von Messern in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Im Gegenteil, hochgradig verboten. Und eigentlich müsste er mich jetzt bei der Polizei melden. Er würde das Messer jetzt endgültig einziehen und ich müsste eine Einverständniserklärung darüber unterschreiben. Im Wiederholungsfalle würde mir sonstwas bis noch weit mehr drohen. Das näher zu spezifizieren, gedachte er weniger.

Spätestens an dieser Stelle machte sich bei der Bunkine, die aufgrund ihrer jungen Lebens und noch kürzeren Lehrjahre der englischen Zunge nicht so mächtig war, um dem Gespräch zu folgen, ein Gefühl des Unbehagens breit. Was sich wenig später steigerte. Und sich schon rein äußerlich durch den Fluss einer salzigen Flüssigkeit über ihr zartes Gesicht zeigte.

Diesen Tränenfluss zu stoppen, weil sie sich schuldig fühlte an der Misere, bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der zunehmend frostiger werdenden Konversation mit dem Sicherheits-Menschen, erwies sich als etwas kompliziert. Zumal dieser auch nicht groß Willens war, mir auf Nachfragen zu einigen, mir nicht zwingend geläufigen Vokabeln juristischer Natur auf dem Protokoll-Bogen Erklärungen abzuliefern. Das könnte ich jederzeit und gerne auf dem nächstgelegenen Revier machen, so ich denn wolle.

Wollte ich? Mit meiner Kleinen an der Seite, der schon die Lust auf den geplanten Eye-Flug abhanden zu kommen dohte? Meine Diskussionslust unterdrückend unterzeichnete ich. Und auch die Frage, wie lange diese Daten im UK gespeichert werden würden, erwies sich selbstverständlich als müßig. Außer einem Achselzucken und dem ihm scheinbar lieb gewordenen Verweis auf die nächstgelegene Wache erntete ich nur Hohn und Spott. Ich als Journalist – meinen Job hatte er dann noch erfragt, obwohl der für das Formblatt nicht weiter erforderlich gewesen war – müsse so etwas doch wissen. Ne ja, ist klar. Wahrscheinlich hätte ich auch das Sterbedatum der Queen Mum memoriert haben müssen. Resistance is futile.

Kurz und gut. Es trennten sich unsere Wege. Der vom Sicherheitstypen. Und der von meinem geliebten Taschenmesser. Billy Idol lässt irgendwie grüßen. Es ging ins Eye. Without a knife. Und der Gewissheit, dass ich im UK von jetzt ab bis zum Ende meiner Tage als hochgradig verdächtig und schwerst kriminell angesehen werde.

Falls Sie also künftig meine Gesellschaft meiden wollen, Sie haben mein vollstes Verständnis.

Nicht schon wieder

Meine Mütze! Verdammt! Wo ist meine Mütze? Für Sekunden ging es mir wie dem berühmten fallenden Wal. Und ich meine hier weder Fail Whale noch Dicks Moby. Sondern einfach und allein den bei der Explosion der „Heart of Gold“ frei auf die Erde zusteuernden Meeressäuger kurz vor dem Aufprall: „Oh no, not again.“ Nicht schon wieder!

Ja, nicht schon wieder. War aber so. Leider. Für diejenigen unter meinen geschätzten Leser, die es noch nicht wissen sollten:  Ich bin ein Ausnahmekönner. Ein hochgradiger Spezialist  in punkto Schalverbummlung, Handschuhe-verliererei, Mützen-Verfernung. Alles was da so kreucht und fleucht. Futsch. Jeden Winter das gleiche verdammte Spiel. Falls in dieser Diszplin jemals eine Weltmeisterschaft ausgefochten werden sollte, Sie brauchen nicht auf mich zu setzen. Zumindest dann nicht, wenn sie Kohle scheffeln möchten. Die Quoten sind so niedrig, weil ich das Halbfinale immer erreiche. Mindestens!

Die Bunkine setzt schon immer ein keckes Grinsen auf, wenn ich mal mit einer neuen Kopfbedeckung oder einem andersfarbigen Halstuch bei ihr erscheine. „Na, mal wieder den Schal verbummelt“, flötet sie dann triumphierend. Und lässt sich partout nicht von ihrer Meinung abringen. Dass das manchmal es auch modische Gründe haben könnte, dass man sich in der Halsgegend anders umgürtet oder sein Haupte schmückt, lässt sie nicht gelten. Alles Ausreden, meint sie. Und im Grunde hat sie ja Recht.

Doch der kluge Mann baut vor. Wohl dem der das ein oder andere Reservemützchen sein Eigen nennt. Flugs gegriffen und gerüstet ob der klirrenden Kälte. Was mir zwar manche spöttischen BSR-Vergleich meiner geschätzten Kollegen einbrachte – warum auch immer – aber ich ward trocken hinter den Ohren und musste nicht frieren.

Was an dem morgen noch nicht ahnte, als ich mich auf den Weg machte, dem 1. FC Wundervoll bei seinen klassischen Untergängen in Westfalen beizuwohnen (vielleicht kann irgendjemand den Eisernen eines fernen Tages mal beibringen, dass es Aufbauhilfe Ost und nicht Aufbauhilfe Ostwestfalen heißt), war, dass der Tag ein noch verlustreicher werden sollte. Im Setzbaukasten zu Paderborn, der entfernt so etwas wie einem Fußballstadion ähnelt, legte ich wie immer mein Diktafon vorne am Podium für die Pressekonferenz ab, auf dass mir der honigsüßen Weißheit, träufelnd von des Übungsleiters Mund, nicht entgehe,  und zog mich – die Zeit drängte, der Andruck nahte – schreibenderweis in die Tiefen des gut gefüllten Raumes zurück. Da der Coach des 1. FC Wundervoll neuerdings höchst eigenmächtig seinen Berliner Journalisten den obligatorischen „Small talk“ nach der PK verweigert, hatte das zur Folge, dass ich am Ende der Gsprächsrunde diesmal nicht nach vorne eilte und dabei wie gewohnt das digitale Aufnahmegerät wieder einsammelte. Ganz im Gegentum drängte ich, erfolgreicher Textabsonderung und Verschickung, die mit reisenden Kollegen eilends zum Aufbruch. Die Niederlage tat ihr übriges. Nur weg! Weg, weg, weg. Und weg war das gute Stück dann auch, als ich nur dreieinhalb Stunden später und rund 80 Schnee- und Eisregen-km weiter wieder seiner gedachte.

Kleine Fortschritte – auch ohne Besuch einer Selbsthilfegruppe – sind allerdings schon bei mir zu beobachten. Immerhin weiß ich in letzter Zeit ziemlich genau, wo ich und wann ich der Sachen verlustig ging. Was beim Diktaphon ja nicht weiter schwer war, bei meinem beliebten Zwergenmützchen schon etwas anders aussah. Aber auch da eilte ich – nur sechs Stunden nach dem Schlusspfiff rückkehrend aus dem Ostwestfälischen – flinken Fußes und frohen Mutes der Margarete F. entgegen. Wissend: Dort hatte ich des Mittwochs Mittwoch die Wollene abgelegt auf dem Hocker neben mir, ehe Kollege K. sie zu später Stunde beiseite räumte und ich wenig später ihrer vergaß. Und siehe da. Sie ward gefunden. Ende gut, alles gut!

Ende gut? Nicht ganz. Denn die Mütze ward mir wieder gegeben, doch ehe noch des Morgens Zeit, das ganze ich wieder gereut. Denn der tücherne Mantel, den morgens ich dann im meinen Haushalt fand, war mir ein Buch mit sieben Siegeln. Kleiner! Dunkler! Löchriger! Zumindest im Futter. Unbehandschuht hinzu. Und für einen Moment durchzuckte es meine grauen Zellen, dass ich mich schon bei meinem Abgang kurz gewundert hatte, wo denn der in den Ärmel gestopfte Schal abgeblieben war. Was mich justamente nicht weiter gestört hatte. Erstens war ich des süßen Rebensaftes voll. Und zweitens, wann hatte ich denn nicht Schals munter verbummelt? Eben.

Wie es weiter ging? Gar nicht! Das war’s schon. Ein kurzes Nachdenken im morgendlichen Grauen des Aufstehens, und vier bis fünf Tweets weiter hatte ich mich erstens ob meines Missgeschicks im Twitterlande geoutet und dann auch den Hinweis auf den Verbleib meines schweren, grauen Tuchmantels bekommen. Der Rest war sozusagen dank Web2.0 ein reiner Gefangenenaustausch. Und nun sage einer noch, Twitter sei nicht nützlich!

Szenen meines Lebens V

Los jetzt, alle mal mitsingen:

Ein Auto steht am Straßenrand ganz still und stumm
Es hat aus lauter Purpur ein Mäntlein um
Sag was mag denn mit ihm sein
Warum steht es da allein …

Na liebe Gemeinde, dämmert es schon? Nicht? Dann mal bitte den Blick von der glänzenden Motorhaube und der glitzernden Windschutzscheibe etwas absenken. Ja, richtig gesehen. Da fehlt etwas. Das Nummernschild, um genauer zu sein. Ganz präzise ausgedrückt nur das vordere. Hinten war alles okay!

Natürlich pasiert einem so etwas immer dann, wenn man es gerade eilig hat. Beispielsweise wenn man die Bunkine nebst ihrer werten Frau Mutter abzuholen gedenkt, um an der Waldbühne einem wunderschönen Konzert der Toten Hosen lauschen zu gehen. Diese informieren, dass alles anders als geplant laufen muss, uns die Zeit knapp gar zu werden drohe, war eins.

Was tun, sprach Zeus? Die Götter warn’n zwar nicht besoffen, aber weiterer guter Rat teuer. Das der getreue Wegbegleiter zudem nicht ansprang, entspannte die Situation nicht wirklich. Erst einmal also meldete man sich als ordentlicher Bundesbürger bei seinem Freund und Helfer.  Und weil meine Wenigkeit halt gerade auf der Straße stand und das Örtliche fern, entschied man sich natürlich für die Einseinsnull.

Begeisterter Empfang am anderen Ende der Leitung, als ich versuchte ein Ohr für mein Dilemma zu bekommen. Aber so was von. Ich möge mich doch bitte an ein örtliches Revier wenden. Dauerte auch keine dreieinhalb Minuten, ehe ich dem guten Mann verständlich gemacht hatte, dass ich,  wenn er mir nur mit einer Nummer weiter hülfe, doch gar nicht unverschämterweis seine heilige Leitung weiter zu blockieren gedachte. Lange stand er auch nicht auf derselbigen. Gefühlte weitere dreieinhalb Minuten später hatte er es verstanden. Doch, doch! So schlecht kann die Ausbildung unserer Herren Ordnungshüter also gar nicht sein.

Meinen Standort als solchen, dem ich ihm wohlweislich kund getan hatte, geflisssentlich ignorierend, übermittelte er mir nur die zentrale Rufnummer der Berliner Ordnungshüter. Bitte kmme jetzt keiner auf den abwegigen Gedanken, dass hier Gehässigkeit seinerseits im Spiel gewesen sei, nur weil ich gewagt hatte, ihn in seiner Wachsamkeit zu stören.

Nun gut, was soll man machen. Wenn der eine nicht will, dann muss eben der andere. Flatrate sei dank, kostet so ein Anruf ja nichts. Und in den zwei Minuten mehr würde mit meinem verschwundenen Nummernschild wohl auch nicht weiter groß Schindluder getrieben werden können als zuvor auch schon. Denn wann das gute Teil abhanden gekommen, wusste ich ja nicht zu sagen. Schließlich stand der rote Renner schon ein paar Tage friedlich, schiedlich auf seinem Parkplatze vor sich hin.

Frischen Mutes also zum nächsten Telfonat. Bescheiden mein Begehr vorgetragen, das ich das Abhandenkommen eines Kfz-Zeichens zu melden gedachte. Bis zum ende kam ich nicht. „Gehen sie zur Zulassungstelle“, blökte es kurz und bündig aus dem Lautsprecher. Zulasungstelle? Ja doch, Superidee. Am späten Freitagnachmittag. Warten bis Montag also. Und in der Zwischenzeit laufe ich die Gefahr, dass jemand auf meine Kosten Banken überfällt, eine terroristische Zelle mit gründet oder, um mal ein kleinwenig realistischer zu werden, munteren Tankbetrug betreibt. Diesen dezenten Hinweis meinerseits aufgreifend, bekam ich gelangweilter Stimme einen bahnbrechenden Tipp. Ich könne doch zu einem Revier meiner Wahl gehen. Hatte ich schon meine Zeitknappheit erwähnt? Hatte ich? Okay. Sie können mir also folgen.

Ich ließ Notlage Notlage sein und folgte also dem Lockruf des Konzertes. Auch weil ich die Bunkine nicht enttäuschen wollte. Die hatte sich ja sehr auf die Düsseldorfer gefreut. Und Open Air ist ja eh immer spannend, so denn das Wetter mitspielt. Also doch noch auf den Weg gemacht. Nicht aber ohne vorher den Versicherer meines Vertrauens von meiner Unnummernheit in Kenntnis zu setzen. Sicher ist sicher.

24 Stunden später begab es sich zu der Zeit, als ich nach getanenem Tagwerk des Abends im friedlichen Friedrichshain  heimwärts radelte,  dass ich an einer Wache vorbei kam. Da dachte ich, dass hier mir endlich einer zuhören müsse. Und siehe da, ich klopfte klingelte, und es ward mir aufgetan. Ich fand gar Raum in der Herberge, äh im Reviere. Mehr noch! Mein Anliegen, wurde mir versichert, sei  wichtig. Man merkte sich die  Worte und bewegte sie in seinem Herzen.

Warum ich denn nicht früher gekommen wäre?  Auch das chiplich mitgebrache Foto, dass wir nach nur 30 Minuten Rumfummelei am PC des Reviers mit gemeinsamen Kräften endlich überspielt hatten (was da angeblich nicht alles aus Sicherheitsgründen gesperrt und unmöglich war. Mein lieber Scholli wie fangen die denn so bloß Verbrecher?), fand des netten Beamten höchste Lobpreisung. Und als  wir auch noch feststellten, dass unserer beider Zuneigung einem südöstlich in dieser Stadt beheimatetem Fußballklub galt, war der Bann endgültig gebrochen. Die Polizei, dein Freund und Helfer. Dieser Mann gab mir den Glauben zurück.

Was lernen wir daraus? Beim nächten Notruf, egal worum es geht, verlange ich erst einmal nur noch eins: Nach dem diensthabenden Eisernen.

Mini-Marathon

War schon komisch heute. Meine Kleene nimmt am Sonnabend am Real-Mini-Marathon teil. Weil die Laufgruppe ihrer Schule sie dazu aufgefordert hat. Ich meine, 4,2195 km sind für eine nicht mal ganz Neunjährige schon ne gehörige Strecke. Und wie der Zufall es will, sollte/musste ich heute am Abschlusstraining aktiv mit partizipieren.

Ihre Mutter, deren Lebensgefährte, meine Wenigkeit, dazu eine mir bekannte Mutter mit ihren beiden Kids, eins davon obwohl ein Jahr älter ind er gelichen Klasse wie dei Bunkine. Wir liefen alle. Scharfes Tempo. Leider nicht jeder in seinem Tempo. Am Ende Tränen bei der Kleenen, weil sie mit ihrer älteren Freundin nicht ganz mithalten konnte. Und doch hatte sie alles toll gemacht. Was sie tränenaufgelöst und nach Atem ringend nicht mehr mitbekam.

Das schönste daran: mit jedem Tag, den sie älter wird, kann ich mehr mit ihr anfangen.

Warum?

Ohnehin schon eine böse Frage. Diesmals traf sie mich unvermittelt. Ich im Auto, auf dem Rücksitz drei Miniweibsen – alle so sieben oder acht Jahre jung – unterhielten sich auf einmal darüber, wie schlimm es sei, für all die Scheidungsweisen in ihrer Klasse. Und vorneweg die Bunkine. XYZ hätte es doch gar nicht so schwer. Schließlich lebe der Vater ihrer besten Freundin in der Schweiz. Und ihr Papa erst – seit Jahren in Berlin (also nur knapp 15 km entfernt :.). Und als ich versuchte darauf hinzuweisen, dass wir uns fast jede Woche sehen, dass ihre Mama und ich uns gut verstehen würden, gab es eine knallharte Frage von ihrer besten Freundin: Warum seit ihr dann nicht mehr zusammen?

Was sagst du da?