Die WM und ich

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Die Küchenuhr tickt. Leise. Stetig. Aber viel zu langsam für meinen Geschmack. Ich will endlich los. Ins Wohnzimmer. Auf mein Sofa im Stadion an der Alten Försterei. Endspieltag! Und doch ist das alles noch so fern. Viel zu fern. Und die Zeit will nicht rumgehen…

WM-Endspiel. Es gibt nichts Größeres. Und für mich als leidenschaftlichen Fußballfan sowieso nicht. Als rasender Reporter kann ich meine Emotionen beruflich bedingt gar nicht so ausleben wie all die Jungs bei den Spielen des 1.FC Wundervoll auf den Rängen. Für mich sind es immer die Großturniere, bei denen ich mich auch einmal gehen lassen kann. Mitfiebern. Die Leinweand anbrüllen oder extatisch mit anderen zusammen einen Jubelchor anstimmen kann.

Dass das runde Leder mich in den Griff bekommen sollte, war bei meiner Geburt offensichtlich vorherbestimmt. Ich erblickte das Licht der Welt genau an dem Tag, als in England ein neuer Stern am Fußballhimmel aufging. Eine spätere Lichtgestalt führte die deutsche Mannschaft zu einem grandiosen 5:0 beim Auftakt im Hillsborough. Der Ort, der 23 Jahre später zum Inbegriff einer Tragödie wurde und die heutige Sitzplatz(un)kultur einleitete.

Nun sitze ich hier. Und warte. Und warte. Versuche mich abzulenken. Die Sachen für den Usedomurlaub mit der Bunkine zu packen. Oder zumindest auf kleine Häufchen zu stapeln. Man(n) will ja nix vergessen.

Gedanken streifen dabei durch meinen Kopf. Wann ich denn das erste Mal bewusst eine WM verfolgt habe. Eigentlich müsste es 1974 gewesen sein. Doch beileibe nicht alle Spiele. Die Anstoßzeiten waren oft so gestrickt, dass ein achtjähriger Steppke sie nicht mitverfolgen durfte. Ich glaube ich habe die Vorrunde Größtenteils irgendwie verpasst, das der Spielerrevolte folgende 2:0 gegen Jugoslawien auch. Meine Erinnerungen setzen ein mit dem 4:2 gegen Schweden und der Wasserschlacht zu Frankfurt gegen Polen. Und natürlich irgendwie das Endspiel gegen die Oranjes.

Alles Bilder, die sehr präsent sind in meinem Kopf. Auch heute noch.

Aber wenn ich ganz tief in meinem Unterbewusstsein krame, dann liegt das eher nicht am gemeinsamen fernsehen mit meinem geliebten Altvorderen, sondern an etwas Süßem. An Schokolade besser gesagt. Es gab in jenen Tagen eine längst ausgestorbene Marke namens Sprengel. Und diese Süßtafeln enthielten lustige Sammelbilder. Mit Fleiß und Akribie kollektivierte ich die bunten Bildchen und klebte sie in das dafür vorgesehene Sammelalbum „1966 – 1970 -1974“.

Vier Jahre später sah es schon ganz anders aus. Argentinien war zwar weit. Aber als mittlerweile gestandener 12-Jähriger wollte man auf der Höhe des Geschehens sein. Ich quälte mich durch ein langweiliges Eröffnungs-Null-zu-Null. Mit zunehmendem Enthusiasmus, den zwei Zwischenrunden-Remis ein wenig ernüchterten. Wenigstens das Spiel um Platz 3 sollte drin sein. Waren ja nur die Österreicher. Doch, Sie wissen es ja, Cordoba. Mancher wird närrisch. Und ich ging deprimiert raus zum Kicken mit den Nachbarjungs. Das heißt kicken stimmte auch nicht so ganz. Ich musste dabei laufend den Radio-Reporter mimen, denn um meine fußwerklichen Künste war es nicht so gut bestellt. Zumindest nicht im Vergleich mit den Bengels aus der Nachbarschaft. Also war ich noch nicht so richtig drin im WM-Wahn.

1982: Wahrscheinlich meine erste wirkliche WM. Lassen wir die Schande von Gijon einmal außen vor, springen wir gleich ins Halbfinale. Das Spiel gegen Frankreich. Ein unaufhaltbar scheinender Rückstand. Und dann die Einwechslung des angeschlagenen Karl-Heinz Rummenigge, die dem Spiel eine seltsame Wendung gab. Selbst mein Frau Mutter fieberte vor dem Fernseher mit. Dabei war sie der Affinität zum schnöden Gekicke nicht im geringsten Verdächtig. Für sie hätten sich alle 22 Mann jeder in eine Ecke setzen können und mit ihrem eigenen Bällchen spielen. Immer wieder hatte sie es im Turnierverlauf geschafft unvermittelt aus den Tiefen des Hauses aufzutauchen wie weiland nur Günter Netzer aus den Tiefen des Raumes und selbst im spannendsten Spiel einen mit irgendwelchen belanglose Fragen zu behelligen. Aufgeräumte Zimmer und so.  Doch da saß sie nun und unterstützte lautstark die Jungs mit dem Adler auf der Brust. Da konnte doch nix mehr schiefgehen auf dem Weg zum dritten Titel. Nix, außer Italien eben. Chancenlosigkeit pur im Finale. Und ein bis heute nicht abgeebbtes Desinteresse meiner werten Frau Mama, was das runde Leder anging.

1986:  Als angehender Abiturient haben ich mir nahezu alles gegeben. Jedes Vorrundenspiel. Egal wann. Schließlich war man doch einer der Großen in der Schule. Was kümmerte einen das übernächtigt sein am nächsten Morgen im langweiligen LK Geschichte. Doch alles was hängen blieb war die Hand Gottes. Und ein eingewechselter Dieter Hoeneß im Endspiel, als wir uns anschickten Maradona und Co. doch noch den Triumph zu entreißen. Kam mal wieder anders. Aber dank fleißigen Studiums des Kicker Sportmagazins – so denn mein alter Herr mal ein bisschen Luft ranließ -, war ich stehst gut informiert. Suppenkasperaffäre und so.

1990: Mittlerweile im ehrenwerten Stadiums des Studierenden angekommen, drehte sich in der Sommerzeit alles nur darum, wo und wann man das nächste Spiel ansehen würde. Live-Übertargungen in den Hörsälen der Georgia-Augusta waren da ebenso Programm wie gemeinsames verfolgen des Geschehens mit dem Kommilitonen. Von Spiel zu Spiel steigerten wir uns weiter rein. Ein Lothar Matteus auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Das unvergessliche Spuckspiel gegen die Niederlande. Ein über sich hinauswachsender Jürgen Klinsmann. Genial. Und ebenso das Ende, als sich wildfremde Menschen spontan am Gänse-Lisl versammelten und einander in die Armen fielen. Ein Vorgeschmack auf Sommermärchen 2006, ohne das man es damals so genannt hätte.

1994: Ach lassen wir das. Subsumieren wir dieses und das danach folgende Turnier unter dem Begriff hässliche Trikots und zwei peinliche K.o.s im Viertelfinale. Sie wissen schon, Jordan Letschkov, der alter HSVer, und im Turnier darauf nahmen die Kroaten die Aufforderung der Bildzeitung (Los, Berti! ic sie weg) sich sehr zu Herzen. Leider.

2002: Mittlerweile im Reportleben angekommen, artete das Turnier in Arbeit aus. Seitenumfänge mussten gefüllt werden. Mit Andreas Baingo war ein Kollege live vor Ort. Die Übertragungszeiten waren auch sehr kompatibel. Da konnte und musste man alles mitverfolgen. Rudis Resterampe rumpelte sich dann auch durch ins Finale. Sicher, da waren ein paar tolle Spiele dabei. Acht Tore gegen Rudi-Hau-die-Saudi, beispielsweise. Der überlegene Sieg in Unterzahl gegen ein damals bärenstarkes Kamerun.  Umgekehrt ergaben sich die Engländer trotz Überzahl den Brasilianern. Bei eigenem Rückstand. Unfassbar so etwas. Wir hangelten uns im leichteren Paarkreuz nach Tokio, Michael Ballack opferte sich im Halbfinale gegen Südkorea. Und dann mussten man ausgerechnet im Endspiel Zeuge einer Fleischwerdung des Titanen werden. Oliver Kahn patzte. Ausgerechnet. Und der Sieger hieß Brasilien, obwohl das deutsche Team sein vielleicht bestes Spiel abgelagert hatte.

2006: Sommermärchen. Und alle in der Reaktion nahmen dran teil. 15 Spiele verfolgte ich live im Stadion. Darunter alle deutschen. Den Rest gab es beim Public Viewing. Beispielsweise vor dem Reichstag, wo die Herren von Adidas ein Miniatur-Olympiastadion aufgebaut hatten. Oder in der 11Freunde-Lounge am Potsdamer Platz. Ein Spiel sah ich auch in Dortmund am Vorabend des unsäglichen 0:2 gegen Italien. Auf der Rückfahrt nach Berlin erreichte mich kurz vor der Autobahn noch die SMS einer ehemaligen Gespielin: „Das war so nicht abgemacht.“ Und ob Stuttgart wirklich so viel schöner war als Berlin, haben die Schwaben dann zwar nach dem Spiel gegen Portugal lautstark besungen, aber ich hatte meine Zweifel. Nun gut, konnte ich wenigstens das Endspiel am nächsten Tag im Oly ohne Stress verfolgen.

2010: Sportfreunde Stillers Neuauflage, die Verballhornung von Lena Meyer-Landruts „Satellite“ (’schland, oh ’schland, wir sind an deiner Seite), dazu das unausweichliche Waka-Waka. Letzteres blieb mir in Südafrika ja nicht erspart. Wohl aber manche Auswüchse der Schlandimania. Es blieben wieder 15 Spiele live im Stadion, darunter die beiden grandiosen Auftritte gegen England und Argentinien in der K.o.-Runde. Am Ende wieder nur Dritter. Und ein Finale, in dem die Holländer auf alles traten, was sich bewegte und nicht der Ball war und doch den Spaniern nicht das Wasser reichen konnten. Der Rückflug war übrigens mein Geburtstag. Ich verbrachte ihn mit einem langen, flugplan-bedingten  Stop-Over in Windhoek. Nette Gespräche mit einigen, na gut sagen wir mal freundlich Allesfahrern. Aber für gewöhnlich suche ich mir die Gesellschaft zu meinem Wiegenfeste gerne selber aus.

2014: Der Traum rückt näher. Diesmal leider nur aus der Ferne. Synergieeffekte im Verlag, ließen den Kurier außen vor bei der Reise an den Zuckerhut.  Doch die Sofa-Aktion im Stadion an der Alten Försterei entschädigte. Dazu die Bunkine neben mir. Das war einfach genial. Die Spiele bewegten sich  insgesamt auch auf einem ordentlichen Niveau. Mit Toren satt. Und spätestens nach dem tollen 7:1 gegen Brasilien war klar, die Zeit ist reif für den vierten Stern.

Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Es klingelt. Ich muss los. Man sieht sich …

Vergiftetes Kompliment

„Ihre Interviews vor und nach den Spielen wären auch für die Politik geeignet.“ Soll unser-nicht-aller Bundespräsident, Christian W. aus Niedersachsen gesagt haben. Sah es als Lob an. Und meinte die Herren Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger, die neben ihm auf dem Podium im DFB-Pressezentrum des Velmore Grade saßen.

Für die Politik geeignet? Wie bitte? Wie war das mit dem Stellenwert und dem Ansehen von Berufspolitkern, von entscheidungsunwilligen, Pfründe liebenden Parlamentariern, die nur an ihre nächste Wiederwahl denken und darüber das Regieren vergessen?

Weiß der herzensgute Mann in seiner standesgemäßen Selbstverliebttheit eigentlich, was er damit wirklich ausdrückt?

So kann man das natürlich auch sehen

Der allseits verehrte und von den Herren und Damen von www.textilvergehen.de über alle Maßen geliebte Volker Strübing bringt ein kleines Licht in den dunklen Halbfinalkeller. Und vergisst dabei auch nicht, die derzeit Hochkunjunktur habenden Bohrlochwitze mit einfließen zu lassen. Danke!

Bitte nicht – oder es langt

Alles! Nur nicht Port Elizabeth. Wobei der geneigte Leser mir bestimmt jetzt vorhalten wird, dass bei der Wahl zwischen Johannesburg und PE die Bezeichnung „alles“ doch ein wenig übertrieben sein mag. Es würden ja weitere Alternativen fehlen. Hier geht es nur noch um entweder-oder! Alles wäre also eher der Gipfel denn eine unliebsame, mühsam in Kauf genommene Variante. Was ja stimmt. Ich weiß doch! Aber derzeit fühlt es sich bei mir so an: Alles, nur nicht PE!

Lassen wir es mal hingestellt, dass Jogis Jungbrigade –  nach 13:2 Toren, nach grandiosen Leistungen gegen die alternden „Three Lions“ und eine erschreckend blasse „Albiceleste (die war mehr  kreidbleich als himmelblau-hochjauchzend.) –  es einfach verdient hat ins Endspiel einzuziehen. Unwichtig, dass keine Mannschaft im Turnierverlauf so herzerfrischenden One-Touch-Football zelebriert hat..

Mich treiben ganz persönliche Motive. Ich mag hier unten nicht mehr reisen. Es langt.

Spiel Nr. 1 in Durban gegen die „Kicker von Oz“ bedeuteten seinerzeit einen echten 24-Stunden-Trip für uns. Aufstehen um 4 Uhr morgens, hin zum Flieger (spätere seien angeblich nicht möglich gewesen) und Abends nach dem kick wieder zurück. Punkt 4 Uhr des nächstens Tages lag man dann in den Federn. (Den Euphemismus möge man mir verzeihen, denn die Südafrikaner kennen eher keine Daunenbetten).

Spiel Nr. 2 in Port Elizabeth gefiel durch ähnliche Abflugzeiten. Einzig die Rückkehr verkürzte sich durch das Nachmittagsspiel ein klein wenig. Oder hätte sich verkürzen sollen, wenn nicht hübsche, fast zwei Stunden lange  Wartezeiten einem es ermöglicht hätten, den netten Aufenthalt am Gate ein klein wenig zu Gunsten hübscher Rollbahnstudien auszudehnen. Ergebnis: Nicht ganz vier Uhr!!

Spiel Nr 3: Johannesburg. Hach! Kurze Wege, kurzfristige Heimkehr. Aber Abendspiel. Also auch nicht vor 1.30 Uhr im Bett.

Spiel Nr:4 : Zu dicht für den Flieger, fast zu weit fürs Auto! Was tun? Doch die Karre genommen. Abflug morgens um 7 Uhr. Zum Augleich fuhr der einstmals stolze Wagen aus bayerischer Fertigung  auf der Rücktour nur auf drei Töpfen. Ankunft in Centurion: Siehe recht weit oben. Das 4:1 erfreute, änderte aber nichts an den Reisestrapazen. Ölsardinen waren nix gegen uns als Trio auf der Hinterbank. Und das über 450 km. Und dabei handelte es sich kinesfalls um gute, ale deutschen Autobahn-Kilometer …

Reise Nr. 5 führte ins wunderschöne Kapstadt. Wieder wart ein frühmorgendlicher, eher noch nächtlich zu nennender Flug fällig. Diesmal am MD – 1 (Matchday minus one) wie es so schön bürokratisch im FIFA-deutsch heißt. Eine Übernachtung im V&A Waterfront war mit inbegriffen. Und der Flieger zurück hob mit 23.37 Uhr recht pünktlich ab. Nach zwei Stunden Flugzeit brache es dann unser Fahrer fertig, nicht den längeren, dafür aber schnelleren Weg über die Autobahn zu wählen, sondern mittenmang durchs nächtliche Pretoria hieß die Devise.  Ergebnis: Home, sweet home so gegen 3 Uhr.

Reise Nr 6. steht nun bevor. Erneut ruft Durban am MD-1. Da dort keine Rückkehr am Abend des Kicks möglich ist, heißt das – neben zwei Übernachtungen  fern des HQ – Rückkehr einen Tag später. Ja doch, wieder in aller Hergottsfrühe. Von der Zimmersuche will ich hier gar nicht reden. Die wurde gaaaaaanz unwesentlich erschwert, weil wir als Autoren-Kollektiv zu viert unterwegs waren. Zimmer frei?  Nix da. Alles ausgebucht im Umkreis von 25 km! Und das, was einem nach langer Recherche unter die Flinte kam, hatte Preise, bei denen jeder Apotheker hochgradig beleidigt gewesen wäre, wenn seine Zunft damit in Zusammenhang gebracht worden wäre.

Wenn Sie jetzt noch bitte freundlicherweise in Betracht ziehen mögen, dass ich einen ganzen Tag fern des HQ und der Kollegen auf der Jagd nach den Aussis veracht hatte, zwei Tage mittendrin auf den Spuren der Engländer in Rustenburg verbrachte und auch einen Tag vergeblich zu den Argentiniern wollte, weil mein Fahrer drei Stunden zu spät von einem Termin kam und dann den Weg nicht wusste (wohl aber wie man am sichersten in den Feierabendstau von Pretoria kommt), dann werden Sie vielleicht verstehen.

Es langt! Alles, nur nicht PE. Denn das Spiel um Platz drei wäre nochmal mit einer zweitägigen Flugreise zu veranschlagen. Die Rückkehr am Finaltag brächte gar zu viel Kurzweil. Flughafen, HQ, Koffer packen, hin zum Endspiel nach Soccer City, um frühenstens 1 Uhr nachts wieder zurück. Und am nächsten morgen stünde dann der Flieger sda zurück in die Heimat, zurück nach Berlin.

Bitte nicht. Jungs, macht am Mittwoch gegen Spanien keinen Scheiß! Ich will hernach nur noch in die Soccer City!

Futsch

Am Toreingang zum All Seasons machte ich mir noch keine großen Gedanken. Okay, irgendwo, wird er schon sein. Irgendwo in den Tiefen des Raumes, äh der beiden voll gestopften Taschen. Wenige Minuten drauf und ein echtes Suchkommando später steht fest: Futsch! Er ist futsch! Der Schlüssel zu unserem Guesthouse. Der zur elektrischen Schließanlage. Und der Haustür. Und schon setzt das große Entsetzen ein. Das kann teuer werden …

Sollte das womöglich die späte Rache dafür sein, dass ich mich über einen Kollegen lustig gemacht hatte??

Mist. Mist. Und nochmals Mist! Das hat man nun von diesem übereilten Quartierwechsel. „Du musst zu den Engländern“, hatte es nur kurz am Frühstückstisch geheißen. Die saßen kanpp zweieinhalb Autostunden von uns entfernt. Also kurz zwei Taschen gegriffen, Laptop, Handys, Kamera etc pp. reingeworfen, den Kollegen nicht groß adieu gesagt, und ab dafür.

So weit, so gut. Wo man nächtigen wüde, würde man sehen. Sah ich dann auch. Nach einigem Suchen. Den Rustenburg war überbucht. Und so fand ichn etwas aus purem Zufall. Dafür aber für rund ein Drittel des Preises, den ein vorab buchender Kollegen von Welt zu berappen hatte.

Egal. War eigentlich nicht wichtig. Wichtiger war da schon eher, dass die Unterkunft sauber, die Landlady überaus freundlich und die beflissenen Geister dienstwillig waren. Zu willig, wie sich später rausstellen sollte.

Wie immer begann ich in einem Kurzzeitquartier nicht groß auszupacken. Alles, was ich nicht vor Ort benötigte, hatte ich fein säuberlich an zwei strategisch übersichlichen Punkten in meinem Zimmer verteilt. In einem Sessel. Und auf der Ablage des Schminktisches, der mir mittendrin als Schreibtisch zu dienen gedachte. Übersichtlich also. Und alles leicht wieder zu finden.

Hatte ich mir so gedacht, in meinem jugendlichem Leichtsinn. Als ich nach der Pressekonferenz in mein Domizil zurück kehrte, ward der Raum jungfräulich. Kein Rucksack mehr zu sehen, keine Jacken. Nüscht. Doch keine Panik. Ein kurzer Blick in den Schrank und alles hatte wieder seine Richtigkeit. Bzw schien zu haben. Womit ich nicht gerechnet hatte, dass Kleinutensilien von den Hauselfen anderenorts, in einer Schublade unterhalb der Schminkkommode deponiert worden waren.

Und nun, sie ahnen es bereits, was kommen muss. So kam es auch. Bei meiner Abfahrt blickte ich mich zur Sicherheit überall um. Im Bad, im Schrank. Sogar in der – weil Winter – unbenutzten Außendusche. Alles schick. Alles beisammen. Und ab gen Heimat. Was natürlich unterblieb, der Blick in die einzelnen Schubladen. Warum auch? Ich hatte sie ja nie angefasst!

Künstlerpech …

Ein Tor, der nicht dafür ist

Ach was ein Jammern und Wehklagen. Ein Lamentieren und Gezeter. Vier bis fünf Mal kam  Capellos Fabio von selbst darauf zu sprechen, ohne auch nur eine weitere Erklärung für die biedere Balltreterei seiner Eleven zu finden. Dieses ach so hundsgemeine, das Spiel verfälschende,  nicht gegebene Wembley-Tor. „Wir haben hier fünf Schiedsrichter …“ ließ sich der Herr C. aus „Bella Italia“ hinreißen. Den Rest können sie sich denken und erspare ich mir nach der „Battle of Bloemfontein“, die hier unten mit der wunderschön doppeldeutigen Überschrift „Out of this World“ in der Beilage der Times (u.v.a.) verschlagzeilt wurde.

Für diejenigen unter uns, die es derzeit schaffen, sich dem ganz normalen WM-Wahnsinn zu entziehen und/oder auch mit dem Begriff  „Wembley-Tor“ partout nichts anfangen können, sei zur geflissentlicher Lektüre dieser Beitrag hier anempfohlen

Schon klar, dass jetzt allen Ortens von Experten (und denen die sich dafür halten), der sofortige Einsatz des Videobeweises, des Chips im Jabulani (Intel inside), und mindestens der Einsatz von Amnesty International, wenn nicht gar einer multinationalen, Friedens stiftenden Einsatztruppe gefordert wird.

In all dem hysterischen Geschrei geht derzeit völlig unter, dass einmal mehr eine andere Unsitte Einzug in das Spiel der Spiele gehalten hat. All dies Grapschen, Reißen, Zerren am Outfit! Das Halten, Zupfen und Zergeln. Kurz diese ungeahndeten Textilvergehen sind meist in schönster Regelmäßigkeit in Superzeitlupe zu bewundern.

Hier wäre nun der Hebel so einfach und kostengünstig anzusetzen. Keinerlei modernes, teueres Hilfsmittel müsste zum Einsatz gebracht werden. Die ach so oft beschworene Einheit der Fußballfamilie durch alle Ligen von ganz oben bis in die Kreisligen C, die Gleichheit der Regeln für alle, wäre  gewährleistet. Auch der Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nicht verletzt. Kein elektronisches Auge wäre vonnöten. Die Lösung wäre so simpel!

Ich fordere hiermit ultimativ die Anschaffung von Trikots aus Materialien wie Krepppapier! Oder aber zumindest eine zeitgemäße Perforation, wie sie uns im Alltag beispielsweise beim Toilettenpapier ständig begegnet.

Es wäre endlich Schluss mit diesen, den noblen Geist des Spiels verletzenden Übergriffen. Ein Videobeweis schlicht nicht mehr erforderlich. Die Unparteiischen könnten mit dem bloßen Auge die Vergehen erkennen und mittels Schnellgericht ahnden. Die Beweislast läge ihnen zu Füßen oder hing in Fetzen am malträtierten Kickerkörper herum.

Positiver Nebeneffekt: Die Herren Ballspieler müssten sich ja erfolgtem Vergehen sofort wieder neu einkleiden. Was der notleidenden Textilindustrie ungeahnte Umsatzsteigerungen bescheren würde. Zudem könnte die stets zum reinen Wohle der Fußball treibenden, unermüdlich nach neuen Einnahmequellen suchende  FIFA all die zusätzlichen Spielunterbrechungen mit hübschen Werbeblöcken füllen. Womit allen eigentlich allen gedient wäre, oder?

P.S. Bevor ich es vergesse. Meine liebenswerten Kollegen beim Berliner Kurier haben bei ihren unermüdlichen Recherchen im „www“ (Worldcup Wide Web) natürlich den untrüglichen Beweis gefunden, dass Herr C.  aus I. schlicht irrt. Kuckst du hier: Kein Tor!

P.P.S. Mein illustrer Dank gilt dem Herrn @ ZwWdF, bei dem ich viaTwitter obiges Bild gefunden habe.

Zwischenbilanz

Die Vorrunde ist vorbei (sogar mehr als das), Zeit also für meine persönliche Zwischenbilanz. Südafrika, das Leben und der ganze Rest:

Spiele: 8 von 48 live im Stadion dabei gewesen (darunter natürlich alle der DFB-Elf)
Stadien: 5 von 10. Kann man mit leben. Heute kommt Nr.6 in Bloemfontein.
Land: Außer Auotbahnkilometern und Durchfahrten durch Townships wenig davon mitbekommen. Leider.
Leute: Super. Obwohl die liebsten Menschen, die ich traf, aus Namibia stammen und in der vierten Generation deutsch sind.
Kollegen: Ja!
Unliebsame Überraschungen: Einige. Die bösartigste war, dass die Daten-Roaminggebühren beim iPhone 0,79 € pro 25 KB betragen (Ich bin ruiniert)
Positive Erlebnisse: Die Freundlichkeit der Leute und die Sicherheitssituation. Wenn man ein bisschen aufpasst, ist alles nicht so schlimm, wie es immer dargstellt wird.
Wetter: Nicht übel, dass dafür, dass hier Winter ist. Aber es wird richtig kalt, wenn die Sonne untergeht. Minusgrade auch schon erlebt beim Spiel von Brasilien vs. Nordkorea
Verluste: Hielten sich in Grenzen, zumal sich die Dinge wieder anfanden (Dazu später mehr hier)
Blogbeiträge: Reichlich! Zumindest angefangen. Dann keine Zeit gehabt. Oder kein Internetanschluss. Oder von der Realität überholt. Kurz, viel zu wenig.
Schlaf: Sortiere ich jetzt im Fremdwörterlexikon ein
Kaffee: Durch meine Adern fließt kein Blut mehr, sondern Koffein.
Postkarten: Null. Und da bin ich im Zugzwang. Die Bunkine erwartet wie immer ein Kärtchen, wenn ich länger unterwegs bin.
Facebook: Wenigstens ab und zu ein paar Fotos als Eindrücke hochgeladen
Tippspiele: Hoffnungslos abgeschlagen.

Wird fortgesetzt. Muss morgen früh raus zum Achtelfinale Deutschland vs. England.

Von der Freude des Wartens

Die Hälfte seines Lebens wartet der Journalist. Und oft vergebens. Zeit totschlagen ist das höchste Gut eines jeden Reporters. Man wartet. Auf Gesprächspartner. An Einlässen. Auf Rückrufe. Ist hier in Südafrika kaum anders.

Während sich die heimischen Fan-Gemeinde im Public Viewing ergötzen, ist für unsereiener hier vor allem „Public Queuing“ angsagt. Sicherheitskontrollen noch und nöcher. Stets gefolgt von einem ermunterndem thumps up, den Daumen hoch halten. Ganz wichtig hier. In jeder Lebenslage. Egal ob etwas geklappt hat oder nicht. Dann folgt wieder das unvermeidliche Einreihen am Ticket Counter der SMC (Stadium Media Center), wo du nur an den Match Days deinen unmittelbaren Stadioneinlass bekommst. Ganz anders als bei der WM 2006 in Deutschland,  wo man zwei Tage vorher in jedem der 12 WM-Stadien seine Karte für das nächste Spiel vorab abholen durfte. Egal wo es stattfand. Sparte ungemein Zeit. Und Nerven! Weil kein Schlange stehen!

Bei so viel Warteterei möchte man manches Mal seine ohnehin hier eher spärlich bemessene Freizeit lieber mit Freunden zusammen in den WM-Kneipen verbringen. Wäre sicherlich manchmal etwas entspannter dieses „Pub like Viewing“.

WM-Fieber

Es geht los. Die Spannung liegt schon in der Luft. Und kein Kneipengespräch, in dem nicht mindestens einmal das ominöse W- Wort  fällt. Sei es ablehnend , von Teilen des holden Geschlechtes (Boah, schon wieder Fußball. Ich dachte, jetzt sei endlich Sommerpause. Jetzt hängst du ja wieder nur vier Wochen vor der Glotze*“). Oder begeisternd zustimmend. Keine Blümlein stand (wetterbedingt) im Revier. Man sah flaggenschmückte Autos dafür. Schland, ’schland, ’schland tönt es landauf und landab.

Ja, das WM-Fieber ist ausgebrochen. 54-74-90-2010!  Absolut. Und es hat geradezu ruinöse Folgen. Kein Ort, an dem man vor einem Tipp-Spiel sicher ist. Ob in den Redaktionsstuben mittels Internet (in der man als Sportreporter schräg angesehen wird, wenn man sich nicht beteiligt), in den Kneipen über altbewährte Fragebögen. Hier mal 5 Euro, da mal nen Zehner. Nicht wirklich viel. Doch ehe man es sich versieht, hat man deren drei oder vier Tipps an  der Backe. Was die Geldbörse im ersten Moment  unmerklich erleichtert, aber von mal zu Mal sich doch akkumuliert.

Mein persönliches Problem ist weniger die sich allmählich einstellenden Aufregung vor dem Abflug auf den Schwarzen Kontinent. Auch die vielen so nett gemeinten Einwürfe („Viel Spaß im Urlaub“, „Pass wegen Aids auf“ oder „Die Anschlagswahrscheinlichkeit wird von den Agenturen auf 80% beziffert“) locken ein mehr oder weniger müdes Lächeln auf meine Lippen. Es mag manche überraschen, aber ich fahre nicht zum Vögeln da hin. Wirklich nicht! Und das letztere kann ich eh nicht beeinflussen.

Nein, was mir Sorge macht, sind die vielen, kleine, eigentlich recht bescheidenen  Wünsche der hier so schnöde zurückgelassenen: Schreibst du mir ne Postkarte dürfte da noch die kleinste Übung sein. Die Bunkine muss auch bedacht werden. Unbedingt. Schließlich sieht sie den Herrn Papa fast fünf  Wochen nicht. Doch Kollege T. möchte schon ein Basecap. Ein anderer Wiederum ein spezielles Rugbyshirt. Nicht fehlen dürfen in den privaten  Wunschkatalogen offizielle Plüschmaskottchen, zahlreiche Programmhefte und FIFA-Broschüren. Und Biltong wird auch nicht unerwähnt gelassen.

Kein einfaches Unterfangen, wenn man ich keinen enttäuschen möchte. Ich mein, ich mag diese Mitmenschen ja. Sonst kämen sie ja auch gar nicht auf den Gedanken, mich nach etwas Erinnernswertem zu fragen. Am besten ich werfe all meine Klamotten am Ende des Turniers weg und fülle meinen Koffer bis zur zulässigen Höchstgrenze von 20 kg mit Souvenirs und Mitbringseln.  Dann sollte ich jeden zufrieden stellen können.

*Kneipe, Freunden, Public-Viewing-Plätzen, andere Plätze Ihrer Wahl

Ein Stern der meine Hoffnung trägt

Wer schreibt, will gelesen werden. Meistens jedenfalls. Sei man Blogger, Autor oder Redakteur. Man erhofft sich Resonanz. Feed back, wie es so schön auf neudeutsch heißt.Im Internetblog schlägt sich das dann oft in Kommentaren nieder. Was den Herren Schreiberling (oder auch die Frau Verfasserin) gemeinhin erfreut. Hach, ich werde wahrgenommen.

Dass man auch zu viel Feed back bekommen kann, durfte ich diese Tage leidvoll erfahren. Alles, was ich je verfasst und ins Netz gestellt hatte, war nichts gegen den Zulauf, den mir eine kleine Facebook-Applikation verschaffte. Dabei hatte ich nicht mal was geschrieben. Es ging es nur um einen Stern, den ich meinem Profilbildchen hinzufügte. Ein Stern, der meinen Namen Hoffnung trägt.

Gut, es ging nicht um irgendeinen x-beliebigen Himmelskörper. Sondern um ein Gimmick, dass in Südafrika seine Erfüllung bekommen soll. Es geht um den Stern, den ein Fußball-Weltmeister sich ans Revers heften darf. Deren drei  (54, 74, 90 – sie erinnern sich) ja schwarz, rot und gold trägt der Deutschen liebste Ballsportgruppe derzeit auf der Brust. Sehr zur Freude des Ausrüster Adidas, der ja die drei Streifen marktingtechnisch sehr schön nutzt und daher mit drei Sternen in den bundesdeutschen Farben keine Problem hat. Kurz ich ich beteiligte mich an der Facebook-Gruppe  DervierteStern. Kuckst du hier:

Hach, was hatte ich damit angerichtet. Pling, Pling, Pling machte es auf dem iPhone. Kommentare, Meinungen, Verwünschungen noch und nöcher bei Gesichtsbuch. In einem Ausmaß, das ich mir gerne für meine sonstigen Beiträge hier im „Wanderer“ oder bei „Spreegeflüster“ gewünscht hätte.  Ein simpler, verf…er Stern und ich wurde wahrgenommen. Tolle Wurst.

Das einzige, was mich jetzt noch interessiert: Was machen eigentlich die Heren von Adidas, falls wir wirklich rauf auf den Fußballtrohn klettern? Ändern sie dann ihhr Logo und Marketingkonzept zu: The Brand with the four stripes?