Der Bunkine erster Streich

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Fotos: Bunkine

„Lass sie doch mal was schreiben.“

Bitte, was?

„Na ja, wenn sie mit dir der Pressetribüne sitzt, kann sie doch mal schreiben, wie ihr das Spiel gefallen hat.“

Hm. Stimmt eigentlich. Christian hatte da völlig Recht. Wenn schon, denn schon. Und ich musste das noch nicht mal forcieren. Denn Stift und Notizen bewegten sich beim letzten Heimspiel wie von selbst. Unaufgefordert. Scheint irgendwie etwas von meinen Genen abbekommen zu haben, die Gute.

Der geneigte Leser ahnt es vielleicht bereits, wovon hier in dem kleinen Gespräch zwischen Unions Pressesprecher und mir die Rede ist. Und ich will ihn auch nicht groß auf die Folter spannen. Es folgt ein Gastbeitrag im Wanderer, sozusagen der Bunkine erster Streich:

Als Fabian auf einmal Stürmer war …

Freudige Erwartung, Fangesänge auf den Tribünen, Freudenschreie – So könnte man den Nachmittag in der „Alten Försterei“ beschreiben. Das letzte Spiel der Saison für Union, dazu noch im heimischen Stadion und mit einem Wetter, wie es im Buche steht. Was passte denn da besser als ein Sieg? Ein Sieg als krönender Abschluss einer doch recht durchwachsenen Saison, ein Sieg als ein Zeichen, dass Union jedes Spiel ernst nimmt. Und als hätten sie die Wünsche der 21.717 Zuschauer vernommen, legten sich die Eisernen ins Zeug. In der ersten Halbzeit konnte man zwar noch nicht viel davon sehen, denn weder Braunschweig noch Union erzielten ein Tor. Chancen gab es auf beiden Seiten genügend, doch der Ball schien eine gewisse Phobie zu haben. Ob vor dem Tor oder dem Torhüter selber war nicht klar. 0:0 lautete der Zwischenstand zur Halbzeit, was nicht weiter tragisch, aber dennoch ernüchternd war. Denn es ging, im Gegensatz zu sieben anderen Partien, weder um den Ab- noch um den Aufstiegskampf. Doch das sollte Union doch eigentlich nicht davon abhalten, trotzdem Gas zu geben?

Fabian Schönheim war es schließlich, der sich entschied, noch mehr Jubel auf den Rängen hervorzurufen, die in der Halbzeitpause mucksmäuschenstill gewesen waren, als Christian Arbeit den Brief der Eltern der 18-jährigen Hanna, die in Wuhletal ermordet worden war, vorlas. Doch nun war der Geräuschpegel wieder gestiegen. Meilenweit von seiner eigentlichen Position entfernt, funktionierte er sich selbst zum Stürmer um und hämmerte den Ball ins Netz (48.).

Braunschweig? Geschlafen in Decarlis Fall, geholfen in Kessels Fall. Als zukünftiger Unioner wollte er sich schon einmal jetzt bei den Fans beliebt machen und gab Schönheim durch einen fatalen Fehlpass die Chance zur Führung. „Wir haben es zwei-, dreimal verpennt, den Ball wegzuschlagen. Es war eine unglückliche  Situation und wir haben alle geschlafen“, so Kessel nach dem Spiel.FullSizeRender

Doch damit nicht genug. Angespornt durch Schönheims Führungstor, fiel Sebastian Polter sein Ziel wieder ein, welches er sich gesetzt hatte: 15 Tore. Dafür fehlten aber noch 2. Nach einem leider nicht zählenden Tor (50.) aufgrund einer gelben Karte für den Braunschweiger Marc Pfitzner (31), versenkte Polter das Runde Leder doch noch im Kasten von Keeper Marjan Pekovie (59.). 2:0 für Union und Sebastian Polters 14. Saisontor. Damit war sein Ziel in greifbarer Nähe. Doch halt… 14 Tore in einer Saison… Na? Klingelt es bei Ihnen? Richtig. Sreto Ristic stellte diesen Zweitliga-Bestwert der Eisernen in der Saison 2001/02 auf. Zeit diesen zu brechen, fand Polter und setzte sich so sein Ziel. Das Stadion feuerte ihn tatkräftig an, doch es blieb bei 14 Toren. „Ich hatte es mir ja schon vor der Saison vorgenommen, weil ich ja natürlich diesen Rekord wusste von Ristic. Und ich hätte gerne den Rekord geknackt, sage ich ganz ehrlich, und jetzt habe ich ihn nur leider eingestellt. Aber für mich ist viel, viel wichtiger, dass wir heute mit der Mannschaft einen super Saisonausklang hatten“, so Polter nach dem Spiel.
Und das hatten sie alle Male. Endstand 2:0 für die Eisernen. Damit hatten sie wieder bewiesen, dass sie auch kämpfen, wenn es eigentlich um nichts mehr geht. Doch ein Sieg zum Saisonabschluss ist doch ein wunderbares Gefühl, nicht wahr? Und in der Tabelle noch einen Sprung auf Platz 7 mit drei Zählern mehr als im letzten Jahr. Na wenn das kein Grund zum Feiern ist! Glückwunsch Union!

 

 

Ist gut jetzt!!

Ja, doch. Wir hatten alle unseren Spaß. Vorher das Geplänkel. Verbal und diversen Foren. Mit dem Aufmarsch im Herzensgebiet der Anderen und der Antwort darauf. In den Gazetten, bei der Arbeit und in den Kneipen. Und bis auf die Nummer mit dem Bus nicht mal grenzüberschreitend. Doch da da kein wirklich großer Sachschaden entstanden ist, diesmal nicht –  wie auch schon vorgekommen – das Haus einer Privatperson attackiert worden ist, kann man das vielleicht ein allerletztes Mal als Folklore, als gelebtes Derby-Brauchtum abhaken. Ist ja kein Mädchenpensionat hier. (Oder war das jetzt schon wieder ein Rütteln an der Sexismusdebatte und daher gar einen Aufschrei wert? Nicht? Puh. Glück gerhabt.) Aber note not to myself: Repetita non placent!

Dann das 2.2 in einem tollen Derby. War das spannend. Keiner hat verloren (außer vielleicht dem Mann, der es für gewöhnlich nicht so gern sieht, wenn die Wessis in seinem Stadion jubeln Ooder war es: Der es nicht gern sieht, wenn ein Wessi ihn in seinem Stadion auswechselt?)  Die einen haben Moral und individuelle Klasse bewiesen, die anderen eine ihnen nie zuvor zugetraute Leistung abgerufen. Der Hauptstadtklub kann seinen Alleinvertretungsanspruch in Liga eins ab August spazieren führen. Und für die Köpenicker bleibt das Vergnügen, einmal mehr den großen  Bruder geärgert zu haben. Jeder hat eine Stadtmeisterschaft gewonnen. Die Roten 2011, die Blauen 2013. jeder fünf Punkte und 6:6 Tore auf dem Konto. Nur aufgrund der Softskills liegt Union in der ewigen DFL-Stadtmeisterschaftstabelle hauchdünn vorn, wenn man die knallharten UEFA-Richtlinien für große Turniere als Maßstab anlegst. Union hat 4:3 Auswärtstore. Hertha 3:2. Und auch die Fairplaywertung ist nach vier Duelle mit 8:10 Verwarnungen gerade so eben in Köpenick gelandet.  Alles schick also.

Daher könnte man doch endlich einmal aufhören, dem Gegenüber immer wieder alles und alles haarklein vorzurechnen. Mietnomaderei hier. Vermeintliche Ligauntauglichkeit für ganz oben dort. Hier: Wir hätten ja alle gern gesungen und Remmidemmi gemacht – aber mimimimi – ihr habt uns doch keine Karten gegeben, ihr Bösen. Ihr wolltet ja in eurem Winzstadion spielen. Dort: Ihr seit nicht mal zu hören, wenn ihr doppelt so viele seid. Diese wechselseitigen Verweise auf Kartensubventionierungen via Grupon oder Kaisers. Dieses manigfaltige Vorrechnen, was Kommerz ist und was so gerade eben noch nicht. Das Aufrechnen der Lobbyisten oder der einstigen Mauscheleien. Und, und und …

Wisst ihr was? Es langweilt langsam. Es explodoeren die Beiträge bei dimatetral entgegengesetztem Inhalt. Lasst es doch, bitte. Ratioo schlägt nun einmal emoztio nicht. Liebe kennt keinen verstand. Weder bei Frauen noch beim Fußball. Und nehmt endlich mal wieder Formen an. Dieses Gekeife ist ja unerträglich. Von der Wortwahl will ich gar nicht erst anfangen. Dieses ewige „Der hat aber angefangen ..“ Kann man jetzt endlich mal aufhören, ständig immer noch nur  auf den anderen zu schielen. Der Drops ist gelutscht bis zu einer Neuauflage. Lasst doch jeden ein Ding machen in aller Ruhe. Vielleicht zeigt es sich ja eines Tages doch, welches der bessere Weg ist. Ob es die eine Fußballkultur ist oder die andere. Was sich wahrscheinlich nie final klären lässt. Denn Kultur ist immer vielschichtig, nie eindimensional.

Aber immer und immer wider dem Gegenüber den Spiegel (der Selbstgerechtigkeit) vorzuhalten ist sinnlose Zeitverschwendung. Der Kampf gegen die Instanzen ob und wie eventuell Pyros in Stadien zuzulassen sind, wäre da viel besser. Zu klären, ob nur die Biedermeier im fernen Frankfurt am Main Emotionen zu respektieren haben oder die Brandstifter, dass eine Mehrheit der Stadionbesucher das Feuerwerk mitnichten als Bestandteil des Spiels begreift oder schlimmer noch als störend. So dass die Pyro-Romantiker ihrerseits das vielleicht sogar mal respektieren müssten. In dieser Debatte wären imho Anstrengungen viel sinnvoller untergebracht. .

Doch zurück zum Thema Jedes Berliner Lager verfolgt gerade ehrgeizige, spannende Ziele und sollte daher jetzt mal wieder vor seiner eigenen Haustür kehren. Da hat er genug damit zu tun, um seinen Klub auf seinem Weg weiter voranzubringen.Die Frage der Integration der gewachsenen eisernen Gemeinde. Der Versuch bei dem Weg voranzukommen, nicht zu viel Tradition und geliebtes Brauchtum verlieren oder auf dem Altar des schnöden Mammons opfern zu müssen.

Ich finde es besser, wenn Beispiele von sich aus beredt genug sind, um für den Klub zu werben. Wenn das Ambiente gefällt und zum Verweilen einlädt. Womöglich gar zur Wiederkehr. Diese ewige Betonung der Andersartigkeit, das permanente Heraustellen der vermeintlich Einzigartigkeit, der inhaltlich richtige aber langsam anödende Hinweis auf die Abwesenheit von Klatschpappen oder von Eckfahnen-Werbung trägt aber nun wirklich nicht dazu bei. Eher so weniger. Freuen wir uns, also doch still an dem, was wir haben. Und arbeiten bei uns daran, das uns erhalten bleibt.