Nein, nein und nochmals nein!

Es langt. Schlimm genug, dass das skandalöse Relegationsspiel zwischen Düsseldorf und Hertha BSC uns alle so lange beschäftigt hat. Doch die Auswirkungen sind gravierend, was den ganzen Fußball betrifft. Umso schlimmer aber finde ich ich jetzt die populistische Herangehensweise, die damit einhergehende Undifferenziertheit, die alles verschligende Hysterie, wie künftig der Gewalt und der Eskalation in den Zuschauerblöcken Einhalt geboten werden kann.

Festzuhalten bleibt zuvorderst, dass die Befürworter der Illumination in den Stadien derzeit schlechte Karten haben. Und das leider endlich mal akzeptieren müssen. Nicht nur wegen dieses Vorkommnisses. Und wenn man jemals wieder und sei es nur in Richtung kontrollierter Abbrennzonen gehen soll, ist es derzeit wichtiger, die Füße still zu halten, Übeltäter aus den eigenen Reihen bei seinem Klub – denn es geht ja um Liebe zu seinem Verein, nicht zu seiner Gruppierung, oder? – anzuzeigen und alle Kraft einem anderen Kampfplatz zuzuwenden. Dem Erhalt der Stehplätze!! Und damit auch dem Erhalt von bezahlbaren Einrittskarten.

Ob es nun die Sportbild ist oder die große Gazette mit den vier Buchstaben, fast alle sehen in einer Versitzplatzung ein Allheilmittel, um die Situation in den Griff zu kriegen. Jetzt schlägt erwartungsgemäß auch noch der Innenminister CSU in diese Kerbe. Und liegen damit imho kolossal falsch.

Wo fanden den all die Platzstürme statt? Bei Hertha in der Abstiegssaison 09/10! Beim KSC vor wenigen Wochen. Nun bei der Fortuna. Dies nur als ein paar Beispiele, die mir spontan einfallen. Die Liste ließe sich sicherlich spielend fortsetzen. Alles – huch – mehr oder weniger Sitzplatzstadien!

Wenn dieser komischer Parteipolitiker aus dem Freistaat sich durchsetzt, ist das das Ende der Fußballkultur, die das Millerntor und die Alte Försterei oder auch das Dortmunder Westfalenstadion mit seiner Wand so liebens- und erlebenswert machen.

Versitzplatzung? Will hier jemand wirklich englische Verhältnisse? Also Eintrittskarten nur noch für Besserverdienende?

Gut, dass es wenigstens ein paar Fußballer oder Fußballfunktionäre gibt, die ein wenig mehr Durchblick besitzen.

Alles langweilig, oder was?

Trainingsauftakt beim 1.FC Wundervoll. Für gemeinhin eine Angelegenheit von allgemeinem Interesse. An guten Tagen  kommen da auch mal vierstellige Truppenteile zusammen. Beispielsweise beim Debüt von Uwe Neuhaus.


Foto: Koch

Mag es auch unfair sein Sommers mit Winters zu vergleichen, gestern wähnte sich die illustre Boulevardjournalisten-Runde (inklusive meiner Wenigkeit)  im falschen Film. Dass die Mannschaft gestern mit Tross, Proband & Co. die Zahl der Kibitze überstieg, kann ja schon mal vorkommen. In der Regionalliga-Saison 07/08 wollten sich immerhin rund 40 Eiserne das Spektakel ihrer Lieblinge nicht entgehen lassen.

Doch das der Journlistenschar die Köpfe der Anhängerschaft zahlenmäßig auch hinter sich lässt, verwundert dann schon. Ganze 1,5 Fans (ein Großer und sein Kleiner) waren gestern an der nasskalten Alten Försterei dabei. Und auch da ist das reine Fandasein nicht richtig gezählt, war doch einer der beiden ein munterer Mitbetreiber eines sehr ehrenwerten Unionfan-Blogs. Mit anderen Worten, publizistisches Interesse in moderner Form war vorhanden!

Warum diese Minuskulisse? Die Ruhe vor dem Sturm? Alles nur der Festtagszeit und dem kuriosen Termin zwischen den Feiertagen geschuldet? Also den Tagen, in denen ohnehin alles den Göttern der Völlerei untergeordnet wird? Und sei es aus biologischen Gründen.

Kann eigentlich nicht so sein. Union steht ja für einen Auffsteiger blendend da. Das muss doch locken. Sollte etwa? Wird der 1.FC Wundervoll gar, man traut es sich kaum auszusprechen, … ein kleines bisschen langweilig? Mittelfeld gleich graue Maus? Ist man in Köpenick nur noch das Spektakel gewöhnt? Wie das Weihnachtssingen etwa, was ja auch bei kaum weniger günstigen Temperaturen 8000 Sangesbrüder und -schwestern an die Alte Försterei lockte.

Ist Trainer Uwe Neuhaus, ohnehin nicht als bekennender Freund der Unterhaltungsbranche bekannt, bestimmt ganz recht. In Ruhe arbeiten, möglichst unter Ausschluss der Öffentlichkeit, so sein Credo. Panem et circensis? Nicht des akribischen Arbeiters Ding. Entscheidend ist für ihn allein auf dem Platz. Und nicht daneben. Das ist nur störend Beiwerk. „Eigentlich wollte ich heute dreieinhalb Stunden trainieren lassen, damit die Journalisten die Lust verlieren, Fragen zu stellen“, verpackte er seine Ansichten in einen  vermeintlichen Scherz.

Ha, ha. Gut gelacht. war ja auch nett da bei leichtem Nieselregen, immer noch gefrorenen Böden und zahlreichen Wasserpfützen, die die Wege säumten. Da möchte man schon mal zum Augenblicke sagen, verweile doch, du bist so schön.

Oder liegt es vielleicht auch daran, dass man die Herren Gebhardt, Biran, Benyamina & Co. zwar als formidable Fußwerker kennt. Doch die Menschen dahinter einem leicht fremd sind? Dass der manchmal ans manische grenzende Kontrollversuch, von der Schwesterzeitung hier nur am Rande gestreift, teils auch kontraproduktiv sein kann?

Wahrscheinlich von allem etwas. Es kommt halt auf die Mischung an. Profi-Fußball ist halt auch mehr als ein 1:0 auf dem Platz. Es ist ein Geschäft auf der Basis von Emotionen und Zwischenmenschlichem. Eins, das eben nicht nur aus Spieltagen und nackten Resultaten besteht.

Abhaken. Einfach abhaken

Fans sind auch nicht anders gepolt als Trainer und Spieler. Die sprechen ja gerne davon, also nach herben Pleiten und großen Schlappen, dass man das Ding ganz schnell abhaken solle. Und nach vorne schau’n müsse. Nächste Woche (so denn keine englische ansteht ), das werde dann ganz bestimmt ein ganz anderes Spiel. Aber hallo!

So musste man sich dann nicht groß wundern, dass am Sonntag eine illustre Runde eiserner Anhänger sich schwitzenderweis nach einem 0:5 im DFB-Pokal gegen Bremen zwecks eiligster Schöntrinkung in der Margarete F einfand, um eben diesem beigewohnten Trauerspiel eine Abkühlung gerstenkaltschaliger Art folgen zu lassen. Merke übrigens: Das ist der Vorteil des Fandaseins! Denn die Herren Berufssportler müssen zwecks Ausübung ihrer Tätigkeit und zur vollen Erhaltung ihrer Arbeitskraft auf derartige Gelage verzichten, die einen am Ende des Abends das grausame Geschehen vielleicht ein klein wenig besser erdulden lassen.

Und natürlich wendet man sich dann, nach ausgiebiger Analyse der Fehler („Wie konnte der bloß so aufstellen. So konnte das ja nüscht werden“ „Das war doch Feigheit vor dem Feind“) sowie ebenso zahlreichen wie kostenlosen Verbesserungsvorschlägen („Der muss den xyz bringen. Und nen zweiten Stürmer“), die jedes Trainerherz aufjauchzen lassen müssten ob all der aufrichtigen Anteilnahme, auf einmal unversehens und wie fremdbestimmt den kommenden Ereignissen zu. Bremen? Abhaken! Aber, hallo! Denn Oberhausen, das wird ein ganz anderes Spiel.

Was allein schon durch die musikalischen Begleitumstände klar sein dürfte. MAZ ab:

Ganovenehre

Es gibt ja so etwas wie Ganovenehre. Und nicht umsonst heißt es, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Doch es gibt so Dinge, die treiben einen mich auf die Palme. Jüngst war es diese undifferenzierte Meinungsäußerung zu Unionfans. Zu Tage getreten mal wieder im Bayernländlle.

Das brachte mich dann dazu, dem werten Verfasser oben verlinkter Zeilen dann doch den kleinen, nachfolgenden Leserbrief zu senden. Obwohl weiß, dass es nicht helfen wird, diese falschen Ansichten aus den Köpfen rauszukriegen:

Sehr geehrter Herr Kollege Michael Stadik,

mit Entsetzen musste ich in Ihrem Artikel die Bemerkung lesen, dass die Fans von Union Berlin ein „atemberaubendes Potenzial“ an Gewalt-Fans haben.

Ich will jetzt auch nicht groß auf Ihr nicht haltbare Gleichsetzung Ultras sind gleich Hooligans eingehen. Diese Behauptung ist schlicht Unsinn.

Ich begleite diesen Verein seit nunmehr 10 Jahren als Redakteur des Berliner Kuriers journalistisch durch die deutschen Lande. In der Masse der Fälle ertrugen die Unionfans selbst bitterste Momente wie Abstiege (Ahlen 2004) und peinlichste Schlappen (0:7 in Köln) mit Spott und beißendem Humor. Was Ihnen durchaus Respekt in der bundesweiten Fußballfanszene eingetragen hat.

Dass die Eisernen auch einen Teil „gewaltbereite Fans“ in ihren Reihen haben, werde ich nicht bestreiten. Dass gerade die jüngeren Fans, also die Ultras, mit der Staatsmacht nicht viel am Hut haben und ihren Unmut über zahlreiche Drangsalierungen stets verbal kund tun, stimmt auch. Dass die Unionfans zahlreich anreisen und dabei gerne sehr laut sind, was von Otto-Normal-Bürger oft als Bedrohungspotential wahrgenommen wird, ist nicht von der Hand zu weisen. Gilt aber im übrigen auch für Fangruppierungen anderer Vereine von Bundesliga bis Regionalliga, die in einem großen Tross anreisen. Worauf Sie aber diese Superlativ-Mutmaßungen des „atemberaubenden Potenzials“ stützen wollen, ist mir hierbei absolut schleierhaft.

Sie widersprechen sich in Ihrem Artikel ja sogar selbst, wenn sie den Ingolstädter Polizeichef Ignaz Brunner mit den Worten zitieren, es seien nur ganz wenige Fans, die Schlägereien suchen würden. Wo steckt dann bitte das atemberaubende Potenzial?

Vielleicht in der Reisefreudigkeit der Unionfans? Im Schnitt verfolgten diese Saison 7177 Besucher in Berlin die Spiel der Eisernen? Das sind damit 1343 durchschnittliche Besucher mehr, als Ingolstadt aufweisen kann. In so einer hohen Fanzahl sind natürlich immer auch ein paar Gewaltbereite. Und doch drängt sich einem der Eindruck auf, dass in den beschaulichen Mittel- und Kleinstädten ihres herrlichen Bundeslandes manch Einsatzleiter schlicht und einfach überfordert ist mit der Masse der Anreisenden? Und daher bewusst das hohe Lied vom angeblich riesigen Gewaltpotenzial singt?

Könnte es sein, dass Sie einfach eine polizeiliche Meinung übernommen haben, ohne diese kritisch zu hinterfragen? Was ja eigentlich zu unserem Job gehört. Handwerk also!

Sie hätten sich nicht einmal aus ihrem Bundesstaat hinaus begeben müssen bei Ihrer Recherche, um andere Erfahrungen und Meinungen bezüglich der Unionfans bekommen zu können. Fragen Sie doch mal in Unterhaching nach. Oder in Burghausen. Bei der U23 des FC Bayern. Begegnungen dort verliefen trotz der polizeilicherseits im Vorfeld zu Risikospielen hochstilisierten Partien absolut friedlich über die Bühne.

Kann so etwas vielleicht nicht nur den so erfolgreichen, präventiven Maßnahmen vor solchen Partien geschuldet sein, sondern einer generellen friedlichen Einstellung dieser Fans? Die Sie denen aber leider abgesprochen haben.

Mit reservierten Grüßen

Mathias Bunkus