Zwiespalt der Gefühle

Ich bin hin- und hergerissen. Was soll ich von Herthas 1:4 gegen die Wölfe halten? Eigentlich bin ich ja ein großer Anhänger von Stadtderby reloaded aka Stadtmeisterschaft2.0. Doch die Häme, mit der das eiserne Lager den Niedergang der alten Dame begleitet, stößt mich ab. Sicher, Fußball ist kein Mädchenpensionat. Gesunde Schadenfreude gehört beim Spiel der Emotionen mit Sicherheit dazu. Und natürlich habe ich auch Witze gerissen. Doch, imho, ist es derzeit eher angebracht, sich eisern zurück zu halten. Schon vergessen, wie es uns zwischen 2003 und 2005 erging?

Und die Wahrscheinlichkeit, dass Hertha sich rettet, sinkt mit jedem Spieltag. Ich weiß. Auch wenn ich an anderer Stelle die Blau-Weißen noch nicht abschrieben habe. Rein statistisch gesehen haben sich seit Einführung der Drei-Punkte-Reglung 40% der Ligavorletzten noch retten können. Also sechs von 15 Teams sprangen dem Tod noch einmal von der Schippe. Im Vorjahr gelang sogar dem Schlusslicht das Kunststück. Es ist also noch nicht vorbei. Egal, wie elend es sich anfühlen mag.

Und Otto, der Fünf-vor-Zwölfte, tut mir fast leid. Dabei mag ich ihn nicht besonders. Was soll er denn jetzt anders sagen, als dass er  nicht aufsteckt? Wenn er das täte, möchte ich das Medienecho sehen, dass auf ihn einprasselt. Jetzt, wo er es nicht macht, gehen jedem die Durchhalteparolen auf den Keks.  Wie man es macht, es ist verkehrt…

Wenn ich die Situation der Charlottenburger heuer mit der vor zwei Jahren vergleiche, habe ich rein subjektiv gesehen das Gefühl, dass das Rehhagel-Team besser drauf ist. Denn es spielt – anders als die Hertha unter Wolfgang Funkel – auf Sieg. Und schon der nächste könnte sie auf den Relegationsrang spülen. Und dann wäre sogar noch mehr drin.

Funkels ewige Durchhalteparolen  („Man muss nicht jedes Spiel gewinnen“) ermüdeten, weil Hertha die ganze Zeit von hinten heraus auf Teufel komm‘ raus eine Aufholjagd starten musste, und jeder flehentlich auf den Startschuss wartete. Er wirkte wie ein großer Zauderer, der die Realität nicht wahr haben wollte. Otto ist von anderem Kaliber.

Wie gesagt, ich bin hin- und hergerissen.

Kleiner Trost für alte Damen

Man soll ja nett zu alten Damen sein. Über die Straße helfen und so (ohne Yeah!). Also ersparen wir der einstmals im Wedding gegründeten Sportkameradin aus Charlottenburg nun die verdiente Häme, weisen nicht daraufhin, dass der Sportsfreund Michael P. derzeit einer Schallplatte mit Sprung gleicht:

„Wir sind der Überzeugung, dass Friedhelm Funkel der richtige Trainer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist“, sagte Michael Preetz (42), der Geschäftsführer Sport von Hertha BSC. Der eine oder andere Beobachter fühlte sich beim Pressegespräch des Berliner Bundesligisten wie in einer Zeitmaschine. Wenn das Tabellenschlusslicht am Sonntag Heimrecht gegen den Hamburger SV genießt, wird erstmals Funkel auf der Hertha-Bank sitzen (17.30 Uhr, Olympiastadion). Nur, den identischen Satz hatte Preetz mehrfach benutzt, zuletzt vor einer Woche. Da jedoch hieß der Trainer Lucien Favre.

Also machen wir der alten Damen doch einmal Mut., und betrachten die Lage der Liga nach Spieltag 7 und am Schluss. Getreu dem alten Satz, dass Ranglisten rocken, zuletzt sehr schön gelesen beim Blogfreund @nolookpass, wollen wir doch jetzt Hertha mal frei nach Tenacious D mutig die Socken aus den Schuhen rocken. Ihr seit noch nicht abgestiegen: Schaut her:

08/09 Borussia Mönchengladbach  3 Punkte
07/07 Energie Cottbus                        2 Punkte
06/07 VfL Bochum                               4 Punkte
05/06 1.FC Nürnberg                           3 Punkte

04/05 Hansa Rostock                           5 Punkte
03/04 1. FC Köln                                   3 Punkte
02/03 1. FC Kaiserslautern                 3 Punkte
01/02 VfL Wolfsburg                            3 Punkte
00/01 Energie Cottbus                         4 Punkte

99/00 MSV Duisburg                             3 Punkte
98/99 VfL Wolfsburg                            4 Punkte
97/98 Hertha BSC                                 2 Punkte*

Das kann man sich ruhig mal auf der Zunge zergehen lassen. 9 (* Mannschaften in Fettdruck)  von 12 Schlusslichtern des 7. Spieltages schafften den Klassenerhalt. 75% der Klubs, seit Hertha anno 1997 die Erstklassigkeit wieder erklommen hatte, konnten sich noch retten. Sie alle sprangen dem Tod von der Schippe.

Wobei es unerheblich war, wie viele Zähler auf dem Konto sich zuvor „angehäufelt“ hatten. Zwei Punkte bedeuten nicht das Aus für Cottbus in der Spielzeit 07/08, zwei Zähler nicht für die blaue-weißen Berliner in der Aufstiegssaison. Fünf Zähler halfen Hansa aber seinerzeit auch nicht groß dabei, die Kogge musste der Erstklassigkeit am Ende adieu sagen.

Was lernen wir daraus? Es kommt nicht drauf an, dass es gut ist, es kommt drauf an, dass es rockt. Und im Gegensatz zu Herrn Lulu-Lala Favre, hat Funkels Friedhelm zumindest äußerlich viel mehr das Zeug dazu, als Rockstar durchzugehen.

P.S: Und ja, ich weiß, dass das keine echte Rangliste, sondern nur eine simple Auflistung ist. Aber Rangliste und rocken war so eine schöne Alliteration. Man möge mir diese kleine Ungenauigkeit verzeihen. Danke.