Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Sagt der Volksmund. Nun ist wohl hinlänglich bekannt, dass in der Heldenstadt an der Weißen Neiße die Anhänger zweier Vereine sich seit Jahrzehnten herzlichst in inniger Ablehnung verbunden sind. Der VfB alias Lok gegen die Sachsen, vormals Chemie. Blau-Gelb vs. Grün-Weiß. Verfeindete Brüder eben. Und sei es nur im Geiste. Manch geknicktes Nasenbein, so es denn des Sprechens kundig, wüsste davon zu berichten. Eine Rivalität, die den Sport in der Geburtsstätte des Deutschen Fußballbundes lähmt, die Stadt spaltet. Das war schon immer so. Und wird auch wohl immer so bleiben.
Versuche, die beiden Streithansel zu einem konstruktiven Miteinander zu bewegen, blieben erfolglos. Selbst Bayern-Manager Uli Hoeneß unterschätzte den an Autismus grenzenden Starrsinn der Rivalen. So konnte er mit seinen Bajuwaren benefizspielenderweis anno dunnemals nicht gegen eine Stadtauswahl der Provinzkicker antreten, sondern musste – so viel Ordnung muss auch für einen Rekordmister sein – je eine Halbzeit gegen die Elf aus Propbstheida und aus Leutzsch absolvieren.
Einen tut die ewigen Rivalen eigentlich nur ihr chronischer Misserfolg. Der Begriff Profifußball hat es in Leipzig locker auf die Liste der aussterbenden Worte gebracht. Er herrscht sich selbst beweihräuchernde Fünftklassigkeit. Mit anderen Worten Tristesse. Außerhalb ihres begrenzten regionalen Raumes nimmt die „Gebrüder aus Leipsch“ keiner mehr richtig war. Lok und der FC Sachsen sind wie der berühmte Hamster im Laufrad. Sie ackern viel, kommen aber nicht von der Stelle.
Doch diesen Sommer ist im Leipziger Schneckenrennen alles anders. Ein eigentlich unbedeutender und zuvor wenig besuchter Spielgefährte, der nicht mal in den Gemarkungen der Stadt zu Hause ist, schickt sich an, mit wenigen Zügen viel Boden gut zu machen und den Eindringlingen, äh Platzhirschen erbittert Widerstand zu leisten. Ja, mehr als das. Das bunte Potpourri der Leipziger Unzulänglichkeiten könnte auf einmal ein jähes Ende finden. Noch wird die Rolle des lachenden Dritten zwar nicht wirklich ausgefüllt, blieb eher einem das Lachen im Halse stecken. Geburtswehen nennt sich das wohl. Ansonsten ist man aber schon voll bei der Sache. Mit gar weit reichenden, hochfliegenden Plänen. Aufstieg alle zwei Jahre. Bis hin zur Bundesliga. So steht es in den Businessplänen der umtriebigen Brauseverkäufer. Auch der Umzug in Dr. Kölmels gar nicht mal so kleine Privatsspielstätte ist schon beschlossene Sache. Der Kleine twittert auch schon munter durch die Lande. Dank der Österreicher, die zuvor von den Traditionalisten in Leutzsch vom Hof gejagt wurden und nun quasi durch die Hintertür zurück nach Leipzig gekommen sind, will man den Etablierten künftig die Butter vom Brot nehmen und sie endgültig von den ersehnten Fleischtöpfen des sächsichen Kicker-Himmels vertreiben.
Was natürlich den beiden arg verfeindeten Brüdern so gar nicht schmeckt. Pfui, wie unfein, rufen sie und sind sich ausnahmsweise einmal einig über den „unehelich“ aufgetauchten kleinen Spross mit den großen Ambitionen. Rasen Ballsport RedBull Leipzig, ne, das gehe ja nun mal gar nicht. Das sei Kommerz pur, schnöder Verrat am Fußball. Der Tanz um das goldene Kalb, zetern nun die beiden Lordsiegelbewahrer der reinen Kicker-Kunst in lustvoller Einigkeit um die Wette. Was die dem Gedanken der Planwirtschaft verhafteten roten Bullen herzlich wenig schert. Mittlerweile schlägt den aufgrund ihrer Finanzkraft als Bayern der Oberliga geschmähten so viel inniger Hass entgegen, den bislang der FC Sachsen und Lok eigentlich nur für sich gegenseitig übrig hatten.Die Spiele der Noch-Markranstädter gegen die Tradionsklubs gelten als die Saisonhöhepunkte in der NOFV-Oberliga Staffel Süd.
Noch lässt die sportliche Auseiandersetzung mit dem Feind im eigenen Vorgarten auf sich warten. Unterdess steht nun das Derby an. Das Echte! Am Sonntag. Im Zentralstadion. Mit vielen, echten Fans, Polizei en masse als schmückendem Beiwerk und großem regionalmedialem Tamtam. Wie es sich eben gehört. Und darauf gehört es sich eingestimmt. Und siehe da, weil die Angst vor dem unliebsamen Dritten, und der eigenen, künftigen Bedeutungslosgkeit so groß ist, kommt es zu ungeahnten, von der lokalen Presse lustvoll hochgejazzten Allianzen. Krieg schafft seltsame Bettgenossen. MAZ ab: