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Als ich den Briefkasten öffnete, blickte er mich fröhlich an. Leuchtend. Gelb. Unübersehbar. Da war es ja das gute Stück. Aber verdammt noch mal, wieso machst du es dir jetzt bei mir gemütlich im Hauseingang? Wo hast du dich rumgetrieben, du Schlingel? Du solltest doch schon seit Tagen draußen im Speckgürtel in Empfang genommen werden. Die Bunkine hatte doch schon sehnlichst auf ihre Essensmarken gewartet.

Die Sache mit Töchterleins gelegentlicher Schulspeisung ist nämlich die. Irgendwas geht immer schief. Mal werden ihr die Marken nicht ausgehändigt, weil bei der Bestellung eine Frist minimal überschritten wurde und telefonisches Interagieren schlichtweg daran scheitert, dass die Herren Schulgastronomen vielleicht leidlich gut kochen mögen, wohl aber nicht wisen, wie sie denn ihre Fernsprecher zu bedienen haben. Ist ja auch schwer, so einen Hörer mal in die Hand zu nhemen, wenn er denn fröhlich schellt. Kunde könnte ja mit Umsatz drohen. Oder schlimmerem.

Diesmal war es aber meine Schuld. Als ich die Bunkine letztens von der Schule abholte, wedelte sie fröhlich mit einem DIN-A4-Bogen herum, auf dem sechs winzige Essensmarken eingedruckt waren. Ein zweiter Bogen in ihrer Obhut nebst zusätzlichen Arbeitsblättern verstopften die andere Patschehand. Müssten wir noch kurz bei ihrer erkrankten Freundin vorbeibringen, ehe es heimwärts gehen kann. Gesagt, getan. Ranzen geschultert, Sporttasche übergeworfen, ihre Essensmarken in der Innentasche meiner Jacke ein liebevolles, neues Zuhause gegeben. Und ab. Ahnen Sie es bereits?

Natürlich vergaß ich bei abendlicher Heimreise ins traute Berlin die Marken aus meiner Jacke zu fingern. Aus den Augen, aus dem Sinn. Blöd, aber korrigierbar. Es war ja Donnerstag. Und erst am Dienstag würde sie ihre Essensbons benötigen. Zeit genug, um sie postalisch noch an ihre Besitzerin zu bringen. Ne Briefmarke hatte ich auch noch zur Hand. Einwurf am Freitag um 17.30 Uhr, der Kasten versprach auch noch am gleichen Abend eine Leerung. Alles schick, also.

Alles? Nicht ganz. Es kam der Samstag. Kein gelber Umschlag zu sehen. Es kam der Montag. Kein Umschlag weit und breit. Es kam der Dienstag. Immer noch nichts. Es Mittwochte, gut um es abzukürzen, es kam überhaupt nichts. Zumindest nicht da an, wo wir es alle hinhaben wollten. Bis eben!

Da war er nun, der Schlingel. Versehen mit einem kleinen, abziehbaren Aufkleber und dem netten Stempel „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln.“ Hä? Wie bitte? Kurzes innerliches Aufbrausen meinerseits gepaart mit einem strengen Kontrollblick. Name? Stimmte! Straße? Alles im grünen Bereich. Ort und Postleitzahl auch. Wtf? Die Hausnummer! Die verflixte Hausnummer. Instinktiv hatte ich die alte Nummer aufgeschrieben, unter der wir vor acht Jahren ein gemeinsames Dach gehabt hatten. 12 stand da, 12 statt 14! Dick und fett. Klar doch, dass das gute Teil nicht ankam.

Doch diese ersten Gedanken, blieben nicht die letzten. Moment mal, schoss es mir durch die grauen Zellen. Dieser Wohnpark ist verdammt überschaubar, um nicht zu sagen klein. Ganze 14 Häuser maximal. Eher weniger. Und gleich unter zwei Adressen war eben der nicht gerade häufig vorkommende Nachname der Bunkine zu finden. Einmal bei sich, einmal bei den Großeltern. Und beide residieren seit geraumer Zeit schon dort.

Also ganz ehrlich, es war mein Fehler. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, mal sein Gehirn einzuschalten? Die Postboten dort sind seit geraumer Zeit in ihrem Job zu Hause. Da kann man auch anders. Wenn man denn nur will …