Mens sana in corpore sano. Nie ward mir das besser bewusst als in diesen Tagen, da mich ein fürchterlicher Rücken plagt. Körper und Geist sind untrennbar miteinander verbunden. Denn neben dem körperlichen Schmerz kommt da noch der geistige Frust hinzu. Nun gut, an beidem bin ich nicht ganz unschuldig. Der Versuch meinen Barbaren zu leveln, weil das dumme Biest Diablo ihn mir immer kurz vor dem finalen Hieb in die ewige Jagdgründe schickt, ist das eine. Mit besserer Taktik sollte ich endlich in den fünften Akt des Computerspiels einsteigen können. Viel schlimmer aber war meine hausgemachte Dummheit, das altgeliebte Computerspiel am Couchtisch betrieben zu haben. Sie wissen schon, eine Muskulatur entspannende Haltung geht anders.
Nun gut. da muss ich jetzt durch. Doppelt. Und natürlich sucht man Abhilfe. Zumindest für den physikalischen Teil, denn das Hirn wird sich erst entspannen, wenn ich den Teufel erledigt habe und den sehr ehrenwerten Mr. Baal verfolgen darf. Aber zurück zum Nass und meinem Rücken. Ein heißes Bad gehört da zu den Sachen, die gemeinhin als empfehlenswert für Verspannungen gelten. Was mich in die Abgründe der Nostalgie driften ließ.
Denn ich gehöre eher zu den Menschen, die nicht dem heißen Wannengenuss frönen. Ich bin ein Warmduscher. Ist praktischer. Schneller. Spart Wasser. Ist also umweltbewusster und Geldbeutel schonend. Und überhaupt.
Sicher, auch ich stiegt derweilen in das mit heißem Nass gefüllte Porzellanbecken. Meist dann, wenn es mit entsprechenden Düften und netter weiblicher Begleitung gefüllt war. So mit Kerzenlicht, Schaum und prickelndem Schaumgetränk französischer Herstellung. Aber das dient mehr der Belustigung als der Entspannung und liegt nun auch schon eine Weile zurück. Zumindest das letzte Mal.
Und doch habe ich ob meiner Jugend richtig schöne Erinnerungen an große, dampfausstoßende Gefäße, in denen ich mich räkeln durfte. Es war ein samstäglich Ritual zu den Zeiten, als der Fußball noch nicht auf allen Kanälen lief. Als noch kein Pay-TV am Horizont und Privatfernsehen versuchte, das Bildungswesen zu konterkarieren. Mein ehrenwerter alter Herr und ich stiefelten regelmäßig am sechsten Tag der Woche in den Nassraum. Nur wir zwei. Dafür aber bewaffnet mit einem Kofferradio! Denn es galt der Bundesliga-Konferenz auf NDR 2 zu folgen. Die war mitnichten mit dem Anpfiff zur Stelle. Erst in der zweiten Halbzeit, also da, wo die Spiele spannender wurden, dröhnten die sonoren Stimmen der Kommentatoren durch unsere heilige Hallen, trugen uns auf unsichtbaren Wellen von einem Spielort zum anderen, ließen uns jueblen udn aufstöhnen. Je nach Gusto.
Es war eine Zeit, in der ich als Jungfan der damals drittöstlichsten und heute zweitöstlichsten Bundesligamannschaft arg zu leiden hatte. Davon schrub ich ja schon an andere Stelle. Aber, wie gesagt, es war ein Ritual. Da lagen wir nun im kühler werdenden Nass, lauschten ergriffen den Torschreien. Stets hin- und hergerissen in dem Verlangen, Heißes nachzufüllen oder uns aus der Wanne zu quälen. Denn bis zum Anpfiff der guten alten Sportschau, die seinerzeit nur die Highlights einiger weniger Spiele präsentierte und noch nicht eine allumfassende Berichterstattung für ihr Publikum vorhielt, galt es noch andere Dinge zu erledigen. Mit Schirm, Charme und Melone harrte unser im Dritten. Auch Time Tunnel. Wobei ich mich nicht mehr Recht erinnere, ob das nicht eher nach der Sportschau lief denn parallel. Zumindest lief es, bis das große Fernsehprogramm des Abends begann, stets eingeläutet durch Mr. Tagesschau Karl-Heinz Köpcke.
IMit einsetzender Adoleszenz ging das Ritual zunehmend verloren. Ich trieb mich pfeifenderweis auf Fußballplätzen herum. Samstag die C- Junioren oder irgendwelche Damen, die angeblich das Leistungsniveau der Regionallia inne hatten Später dann höherklassig. Und als ich dann noch später gar den geliebten Status des Homo studiosus erklommen hatte, waren mir die Wannen in meinen ersten Behausungen verloren gegangen. Und damit wohl endgültig die Vorliebe zum Baden …
Okay, okay, ich weiß ja. Notleidender Industriezweig und so. Arbeitsplatz sichernde Maßnahmen. Schon klar. Es wird einem leicht blümerant zumute. Und so erträgt man nahezu klaglos die Inflation der Feiertage, die oft und gerne von jenseits des großen Teiches zu uns rüberschwappt. Die spukenden Geister um Halloween, die originalsprachlich mit „Trick or treat“ wenigstens noch mit einer Alliteration aufwarten können. Auch die die Zahl der zu küssenden Personen hat ja durch den „US Valentinstag“ nicht zwingend zugenommen. Wohl aber das Brimborium nebst wohlduftendender Flora drum herum. Und ja doch, es gibt ja auch bei uns noch den guten alten Muttertag. Ein wohlfeiler Tag, der mich so überhaupt nicht tangiert. Wohl aber mein geliebtes Mütterlein. Wehe mir, so ich ihn einmal vergesse. Das Schmollen möchten Sie nicht ertragen. Meine engste Vorfahrin ist ja sonst eine echt patente Frau. Argumenten zugänglich und so. Und natürlich stimmt sie meinem oftmals dezent vorgetragenem Hinweis vollumfänglich zu, dass der Muttertag in Germanien von den Nazis auf schnödeste instrumentalisiert und missbraucht worden ist, die ja ohnehin in ihrer Ideologie der Frau mehr die Rolle der Gebärmaschine zugeiwesen hatten. Dann nickt mein Liebmütterlein zustimmend. Und schert sich ein paar Monate später nicht die Bohne darum. Nun gut, ich hab kapituliert. Blume 4000 oder FlEUROpfutsch können meinen großzügigen Obolus alljährlich einstreichen. Ist ja für La Mama. Also einen guten Zweck. Und ich bin ja das einzige Kind. Aber, ich möchte das jetzt noch einmal betont wissen, ABER, was zu weit geht, geht zu weit. Omatag? Diesmal mache ich nicht mit, dieser neumodische Tag zum Wohle der darbenden Pflanzenindustrie wird von mir boykottiert:
Das 3:2 gegen St. Pauli steckt noch in mir drin. Dieser tolle Kick, bei dem der 1.FC Wundervoll einen 0:2-Rückstand noch in ein 3:2 umbiegen konnte. Und wäre ich noch genussvoll an die Treffer von Torsten Mattuschka, Adam Nemec und Simon Terodde denke, dem heutigen Schlager gegen die Kleeblätter aus Franken entgegenfiebere, versuche ich ähnlich spannende Partien vor meinem geistigen Auge aufsteigen zu lassen. Was gar nicht so einfach ist. Das eine oder andere habe ich ja auf zwei Kontinenten schon gesehen. Nachfolgend einfach mal die Spiele, bei denen ich live im Stadion war. Sozusagen meine persönlichen Highlight aus über zwei Jahrzehnten Stadiongängerei.
27. Juni 2010, Deutschland – England 4:2 in Bloemfontein
Ein Tag wie gemalt. Wenn mal von der Anreise absieht. Zeiten, die deutlich vor dem Aufstehen liegen, sind nicht so mein Ding. Aber unser Quartier während der WM lag nun einmal 399 km weiter nördlich zwischen Johannesburg und Pretoria. Und da die Anstoßzeit auf 16 Uhr festgelegt worden war, hieß es sich sputen. Zumal man mindestens zwei Stunden vor dem Spiel da sein musste. Und 400 km in Südafrika nicht zwingend der Verkehrswegigkeit deutscher Bundesautobahnen entsprechen. Fünf Mann in einem Auto waren dabei auch nicht unbedingt der Bringer. Aber egal, da musste man durch. An die Stadt selber erinnere ich mich nicht. Ankommen, parken, Akkreditierung abholen, Sicherheitsschleusen überwinden, die eines Flughafens würdig waren. Ein bisschen Vorfreue schwebte beim Anmarsch schon mit. Denn 25 000 englische Schlachtenbummler erfüllten mit ihren Gesängen die Luft in der Stadt der Rosen. Schon im Vorfeld hatten die englischen Medien das Spiel gut angeheizt. Martialisch wie so häufig. Deutschland erzittert vor den „drei Löwen“. Postiv aber allemalen, dass diesmal die Freunde altangelsächsischer Kriegsmetaphorik sich vornehm zurückgehalten hatten.
Das Spiel ein Traum. Klose und Podolski hatte die Joginatoren nach 32 Minuten komfortabel in Führung gebracht. Die DFB-Eleven spielten sich in einen Rausch, der Anschlusstreffer war ein Schönheitsfehler. Und dann kam das Wembley-Tor.. Besser gesagt die Neuauflage davon. Findige Köpfe wiesen zwar blitzartig nach (siehe Foto), dass der Ball niemals, nie und nicht die Linie hinter Neuer überquert hatte, doch die „Three Lions“ sahen das naturgemäß anders. Am Ende hieß es dank zweier Müller-Tore 4:1 für die Germanen. Und alle Debatten um das hätte, wenn und aber ob des nicht gegebenen Ausgleiches waren – ätschibätschi – nur noch theoretischer Natur. Logo, die Sun und Konsorten heulten ein wenig rum, machten ausgerechnet Lampard zum Symbolbild des Scheiterns. Aber alles in Maßen. Englands Altinternationaler fasste es gegenüber der BBC ganz gut zusammen: „Das war so schlecht, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Es war von der ersten Minute an hoffnungslos.“ Und als Augenzeuge musste ich ihm recht geben, war ich der festen Überzeugung, dass auch Lampards Equalizer dem Ausgang der Partie keine Wende verliehen hätte. Zu sehr hatte der Auftritt der deutschen Elf überzeugt. Dann hätte man eben nur 3:2 gewonnen oder 4.2.
Deutschland Argentinien 4:0, 3. Juli, Kapstadt, Cape Town Stadium
Immer noch ganz euphorisiert durch die Battle of Britain fieberten wir der Partie mit der Albicelste entgegen. Die waren ein ganz anderes Kaliber. Diego „die Hand Gottes“ Maradona als Trainer, dazu der Heiland in irdenem Gewand, aka Messi. Sozusagen der fleischgewordene Sohn Gottes auf grünem Rasen. Und immer noch mahnte im Hinterkopf die alte These, dass die Jungs mit dem Adler auf der Brust nicht mehr dazu in der Lage sind, einen der Großen zu schlagen. Und England, bei allem Respekt, gehörte schon seit 1966 eigentlich nicht mehr dazu. Memonto mori!
Nun also die Gauchos. In Kapstadt. Eine der schönsten Städte Südafrikas.Und endlich einmal auch etwas Zeit, sich vorher in der Stadt umzusehen. Eigentlich wollte man gar nicht mehr weg. Das Wetter stimmte. Die Stadt summte vor sich hin. Im Hafen kreischten die Möven. Der malerische Tafelberg lud zum Verweilen. So man sich die Mühe machte, ihn zu erklimmen.
Doch natürlich rief die Pflicht. Und auch die Lust. Schon weit vor Anpfiff hatte man sich ins Stadionoval begeben. Es lag etwas in der Luft. Es knisterte. Würde Argentinien Revanche nehmen für die Niederlage gegen Zettel-Lehmann vor vier Jahren? Spötter behaupten ja, das dort im Berliner Olympiastadion folgende Worte auf dem Papier gestanden hätten. „Nicht mehr als zwei halten. Sonst wirkt’s arrogant.“ Nun, Lehmann war weit weg. Berlin auch. Und hier in Kapstadt rollte die Kugel.
Kurioserweise befand sich mitten im teutonischen Pressemob ein südamerikanischer Kollege. Normalerweise trennt die FIFA weitestgehend die Reporter der Kontrahenten. Nun saß aber dort ein gefühlter 2-m-Hüne mittenmang. Und ward von Sekunde um Sekunde kleiner. Das treffliche Sinnbild der argentinischen Ladehemmung seht ihr unten. Der argentinische Berichterstater jedenfalls rutschte auf seinem Sessel hin und her. Er sank immer tiefer in sich zusammen, während rings um ihn her sich Unsereiner vor Vergnügen auf die Schenkel klopfte. Wir wussten gar nicht wohin mit unseren Blicken. Das Schauspiel auf dem grünen Rasen war dem auf den Presseplätzen ebenbürtig. Beim Schlusspfiff saß da ein kleines Häufchen Elend. Gefühlt in Hobbitgröße. Unfreiwilliger Hauptdarsteller in dem Streifen, „Liebling, ich habe die Gauchos geschrumpft.“ Und wir trauten immer noch unseren Augen nicht ganz über das gerade dargebotene. Unvermittelt kam mir „54 – 74- 90 – 2010“ von Stillers Sportfreunden in den Sinn. Diesmal würde es klappen. Der Griff nach dem Pott! wer sollte diese Joginatoren aufhalten können? Nun gut, Sie kennen die Antwort …
Borussia Dortmund – FC Bayern 5:2, 12. Mai 2012, Berliner Olympiastadion
Boah, ey. Was war ich sauer. Was erlauben Strunz? Ach ne, der spielte ja gar nicht mehr im Dress der Bajuwaren. Aber was der Rekordmeister da im Berliner Cupfinale geboten hatte, war unterirdisch. Eher eine Supernova denn ein Stern des Südens. Sicher, gegen Dortmund kann man verlieren, darf man verlieren. Aber eine Notschlachtung? Der eigens aus München angereiste @probek war auch nicht sonderlich amüsiert. Die zweite Stufe auf dem Weg zum verhassten Vize-Minga, war gezündet worden. Wenig später sollte sie im Finale dahoam gegen Chelsea endgültig in die Umlaufbahn geschossen werden.
Ich verstand es irgendwie nicht. Wo war denn der Ehrgeiz der Roten? Sicher, Arjen Robben verwandelte diesmal – anders als im Ligabetrieb wenige Wochen zuvor – seinen Elfer. Im Westfalenstadion hatte er zwei Minuten vor Schluss so arg gefehlt, dass der BVB sicher dem Titel entgegenstreben und bei 6 Punkten Vorsprung nicht mehr durch den FCB gefährdet werden konnte. Allein das hätte doch als Motivation schon genügen müssen, wenn einem schon der Spott egal war, dass man auf eine Stufe mit Vizekusen gestellt zu werden drohte.
Zu sehen war davon nix. Man war ich bedient.
Energie Cottbus – Hannover 96 3:1, 5. Juni 1997, Stadion der Freundschaft
Es mag ein wenig überraschen, warum jetzt ein Spiel hier auftaucht von Vereinen, mit denen ich eigentlich weniger verbunden bin. Ist vielleicht auch der außergewöhnlichen Saison der Energetiker geschuldet, die 1997 bis ins DFB-Pokal-Final stürmten und dort gegen den Ligavierten VfB Stuttgart mit 0:2 verloren. Ich erinnere mich noch gut an den Abend wie ich hinterher mit Ingo „Inge“ Schneider, Jens-Uwe Zöphel und Igor Lazic zusammen vor dem VIP-Zelt der Lausitzer nördlich des Marathontores stand und über den geplatzten Traum und ihre Aufstiegssaison parlierte. Die Schneeballschlacht gegen Bundesligist Karlsruhe mitten im April spielte da auch eine Rolle, als Cottbus Euro-Eddy & Co. mit 3:0 aus dem Stadion der Freundschaft kegelten.
Nun, die Relegation gegen Hannover hatte es auch in sich. Der Vergleich mit zwei Schwergewichtsboxern traf es irgendwie. 96 hätte das 1:1 aufgrund der Auswärtstorregel gelangt, Energie wirkte so saftlos, als hätte man ihnen den Stecker rausgezogen. Doch um 21.38 Uhr fiel das Flutlicht aus. Und als die beiden Mannschaften 12 Minuten später weiter machen konnten, flog der beinharte Jens Melzig, der mühelos in jedem James-Bond-Film als Bösewicht akzeptiert worden wäre, vom Platz. Aus die Maus. Schluss der Traum vom bezahlten Fußball. Energie würde nicht neben Zwickau, Jena und vor allem Hansa Rostock das schmale Grüppchen ostdeutscher Fußballklubs im großen Ligazirkus verstärken können. Doch dann kam nur eine Minute später Detlef Irrgang und legte wenig später noch einmal nach. Geschafft. Der FCE war aufgestiegen. Und ich war erstmals bei etwas Großem dabei gewesen.
Das ist vielleicht übrigens noch ein Grund, warum mir das Spiel im Gedächtnis geblieben ist. Es hatte mit meinem Weg als Sportjournalist zu tun. Mit Spitzenfußball hatte ich wenig zu tun gehabt bis dahin in meiner Laufbahn. Für das schmale Zeilengeld von 30 Pfennige hatte ich in der Provinz beim Göttinger Tageblatt Vorschauen für die achtklassige Bezirksklasse geschrieben. Auch wenn wenig Später Bezirksliga und Bezirksoberliga dazu kamen, dann von Grone in der Landesliga und der SVG Göttingen in der Oberliga bereichert wurden. An den Platzhirschen der Universitätsstadt, den noblen SC Göttingen 05, ließ man einen freien Mitarbeiter nicht ran. Ih, bewahre. Höchstens auswärts, wo das GT aus Kostengründen keine Mitarbeiter hinschickte und ich auch nur dann zum Zug kam, wenn ich beispielsweise kostengünstig in Oldenburg oder ähnlichem bei FreundInnen übernachten konnte. Selbstmurmelnd ohne Reisekosten abrechnen zu dürfen .Gut, dass ich seinerzeit einen alten Golf Diesel hatte …
FC St. Pauli – SC Paderborn 2:2, 1.4.2013, Millerntor
Es gibt Spiele, über die muss man nicht viele Worte verlieren. Das Remis im Montagabendspiel ist so eins. Normalerweise nix für di Annalen. Doch diesmal war alles anders. Wann erlebt man schon einmal live ein Kopfballtor eines Torhüters. Höchst selten. Umso erfreulicher, wenn man davon Augenzeuge ist. Noch erfreulicher ist es, wenn man es als reiner Besucher im Stadion erleben darf. Bei Bratwurst und Bier halt. Das Dumme am Fußball ist ja, um es vom Herrn Yeboah und seinem legendären Premiere-Werbespott zu entlehnen, jedesmal wenn ich ein Stadion betrete, muss ich ja arbeiten.
1.FC Union – BFC Dynamo 8:0, 21. August 2005, Stadion an der Alten Försterei
Foto: Hupe
Was hatten wir uns alle aufgeregt. Im Vorfeld. Im Spiel dann auch nicht weniger. Doch dazu später mehr. Das erste betraf die Ereignisse in einer Disco in der Frankfurter Allee, in der die Herren Ordnungshüter am Vorabend des Derbys ein wenig allzugründlich nach den dem Rechten gesehen hatten. Folglich stand die Partie kurz vor der Absage. Das ganze Ambiente war seltsam angespannt. Von der Grünen in voller Montur bis hin zu den 14 200 auf den Rängen. Dann rauften wir uns wieder die Haare. Über Chancentod Karim Benyamina. Der war damals im ersten Jahr eisern. Und noch ganz weit entfernt davon eines Tages als Rekordtorjäger seinen Dienst an der Wuhle quittieren zu dürfen. Im Spiel gegen die Weinrotweißen jedenfalls ließ er unglaubliche Fehlschützenqualitäten erkennen, auch wenn er am Ende drei Mal eingenetzt hatte. Was er versiebte hätte – gefühlt – für drei Schützenfeste langen müssen. Egal. Lassen wir das. Er hat sich entwickelt und zu Recht einen klangvollen Namen in der eisernen Ruhmeshalle. Und auch wenn viele es nicht mehr wahrhaben wollen: Hätte Jörn Lenz mit seinem Freistoß kurz vor der Pause auf 1:2 verkürzt, wer weiß, welchen Verlauf die Partie dann genommen hätte. Doch hätte, wenn und aber. „You know who“ traf nicht. Jack Grubert kurz nach der Pauseaber schon. Was so ziemlich das Einzige ist, wofür er in Köpenick in Erinnerung blieb. Und am Ende war es ein rauschendes Fest im Ballhaus des Ostens. Was den 1.FC Wundervoll übrigens nicht daran hinderte, den Trainer dieses Sieges wenige Wochen später zu entsorgen, ihn zu einer Randnotiz in der Geschichte der Eisernen verkommen zu lassen
Und weil ich gerade merke, dass ich viel zu sehr ins Plaudern gekommen bin, beschließe ich, meine aufregendsten Spiele in zwei Teile zu teilen. Mehr also demnächst auf diesem Sender. Oder wie es immer so schön in Comics heißt: Fortsetzung folgt.
Na logo bin ich Fußballfan. Daraus habe ich nie einen Hehl gemacht. Und schon gar nicht darum, für wen mein Herz schlägt. Doch unabhängig davon gehöre ich nicht zu den Leuten, deren Heim in einen Heilig Schrein umgewandelt wurde. Die Devotionalien sind eher spärlich gesät. Ein Triplefahne hängt als Staubwedel irgendwo in einem Bücherregal herum. Und da auch weniger aus Flagge-zeigen-Gründen als aus einem bierseligen Moment heraus, weil ich bei zwei der beiden Finales live im Stadion dabei war und vor allem den DFB-Pokal feinsterweis mit Gerstenkaltschale und so rechts neben der VIP-Tribüne genißene konnte. Hinterher wollte ich das gute Teil nicht wegschmeißen, weil es doch auf seinem langen Weg vom Oly bis zum Ostkreuz ein treuer Begleiter gewesen war. Zumindest hatte es gegen seine Entführung nix gesagt und auch sonst nicht groß widersprochen.
Ansonsten schmückt mein Domizil nicht viel. Zwei kleinere Wimpel hängen halb versteckt hinter einer Küchenrollenhalterung. Die Trikots, die ich mein Eigen nenne, sind säuberlich hinter einer Schranktür verborgen. Und auch von zahlreichen alltagstauglichen T-Shirts ist mir das eine das Liebste, das nicht mit dem Vorschlaghammer den Fan anzeigt. Alte Försterei – Selfmade in Köpenick“ verkündet es die Botschaft über dem Wappen des heutigen Stadtbezirkes. Eine Botschaft, die Unwissende eh nicht dechiffrieren können. Und die Erleuchteten nicken wissend und beifällig.
Und doch hat sich Laufe der Jahre allerhand Nippes und Plunder angesammelt. Kleine Buttons wie der von S.E.O.N. Oder ein nie im Handel gewesenes Plektron. Auch ein geschenkter Bärchenpin. Dazu einige Kaffeetassen aus Milchglas mit mattem, dezenten Logo, die es heute nicht mehr gibt. Und die natürlich obligatorischen Bierbecher mit rot-weißen Stadionmotiven, die man aber auch von Rockkonzerten gern als Souvenir nach Hause schleppt. Erstaunlicherweise sind sogar ein paar Kleinigkeiten von den Millerntorkickern mit in meiner Bleibe gelandet. Und zwar deutlich mehr als vom Stern des Südens. Beispielsweise eine schwarze Gummiente mit Totenkopf-Motiv und rotem Schnabel, die zusammen mit ihrem roten Gegenstück im Badezimmer vor einer Berlin-Flaggen-Seife ihr Unwesen treibt.Was die beiden sich des Nächtesn wohl zu erzählen haben. Da möchte man doch mal Mäuschen spielen.
Nicht viel also, wenn man bedenkt, dass ich seit 14 Jahren den Eisernen folge. Zunächst nur rein beruflich. Dann aus Leidenschaft. Am Ende auch als Stadionbesitzer. Aus Überzeugung. Alles ganz dezent. Und das ist auch gut so. Muss ja nicht jeder, der meine Feste betritt gleich durch meine Vorlieben erschlagen werden.
Ich hab’s geschafft. Endgültig. Der Eintrag in die Ruhmeshallen ist mir nicht mehr zu nehmen. Doch, doch. Und ich bin auch ein kleines bisschen stolz drauf. Gibt ja so Sachen, die sind nicht zu bezahlen. Und für alles andere gibt es ja bekanntlich Mastercard.
Ich bin keine austauschbare Nummer mehr. Sonder endgültig angekommen im Olymp der Unverwechselbarkeit. Der Gastronom meines Vertrauens hat mich- gottseisgetrommeltundgepfiffen – final geadelt. Zu recht. Als Ehrenvorsitzender des Komitees zur Unterstützung notleidender Wirte – eien Aufgabe, die ich ernst nehme – trug ich meine Bestellung immer schon zielgerichteter vor als andere. Ein sonor vorgetragenes „303 für die 17“ und schon schäumte der kühle Gerstensaft standesgemäß vor mir auf dem Tische, ohne dass der arme Keller den mühevollen Umweg des Übersetzens in seinem Gehirn (Ein Radeberger – also 303 – auf Bunki bonieren, der an Tisch 17 sitzt) gehen musste. Das ist nicht mehr nötig. Solcherlei kryptische Hieroglyphen gehören endgültig der Vergangenheit an. Egal übrigens, wo ich Platziert werde. Denn künftig bin ich – siehe unten – mein eigener Tisch.
Wow! Bin ganz hin und weg von dieser Version. Der Dank gilt der bunkine fürs Aufmerksam machen.
Wurde erst relativ spät angefixed mit GoT, aber jetzt voll im Fieber. Bücher sind auch schon bestellt. Also wenn ihr ne Weile nix von mir hört, ihr findet mich unter der Leselampe.
Hallo, Oh-Tu-Wörld! Schuss nicht gemerkt? It’s only Rock ’n‘ Roll and you dislike it, or what? Mein ja nur. Bestuhlung im Innenraum. Bei Meat Loaf? Um es mit dem Altmeister selber zu sagen: „God damn it daddy! You know I love you, but you got a hell of a lot to learn about rock ’n roll“ „. Es war kein fucking Theatarstück. Kein philhamonischer Auftritt. Und will ich jetzt gar nicht groß von deiner Catering-Versorgung anfangen. Die ist an Auswahl und Geschmack unterirdisch, das weißt du selber.
Schade nur, das ein Held meiner Adoleszenz keine Mühe hatte, sich dem schlechten Niveau des Ambientes anzupassen. Das war nicht mehr der einzigartige Musiker, der uns über drei Dekaden tonal und stimmgewaltig oder auch nur als Schauspieler erfreut hat.
Mit Freuden denke ich an eine Bustour aus Wronki zurück, als das Gefährt die Heerschar von Journalisten am Grenzstau – und dem darin steckenden Hertha-Mannschaftsbus – vorbeisteuerte, mit dem Hinweis, wir würden in der Hauptstadt zu einer dringenden Pressekonferenz erwartet. Drinnen ertönte „I would do anything for love“ als wir fröhlich winkend die Grenze passierten. Und als die müden Herthaner zu vorgerückter Stunde endlich an Frankfurt/Oder vorbeifuhren, schmetterten wir Höhe Fürstenwalde schon munter „Objects In The Rear View Mirror“. Was waren das Zeiten.
Und nun? Erschütternd seine Abschiedsvorstellung. Ist vielleicht besser so. Wenn es denn das Konzept war, immer eine halbe Note zu hoch oder tief am exakten Ton vorbeizusingen, ist es voll aufgegangen. Es war schon bemitleidenswert, wie das Mikro tonnenschwer in seinen zittrigen Händen wackelte. Gern und oft hat der 65-jährige Texaner betont, dass er nicht betrunken auf der Bühne steht, sondern seine körperlichen Defizite vielfachen Gehirnerschütterungen und einer Knie-OP geschuldet sind. Da möchte man nur aufstöhnen. Ach wärst du doch betrunken gewesen, dann hättest du wenigstens Spaß gehabt. Und dem Image des Rockstars hätte das ja auch nicht wirklich widersprochen.
Johnny Cash hat am Ende seiner Karriere Lieder zum Besten gegeben, die dem brüchigen Ton seiner Kehle entsprachen. Meat Love aber muss sein ganzes Repertoire seiner einstmals Vier-Oktaven-Stimme runterträllern. Gut, dass wenigstens seine Begleiter um Backroundsängerin Patricia Russo ein grandioses Feuerwerk der Sinne abgebrannt haben. Rettete den Abend ein bisschen. Und nein, es stört mich kein bisschen in meiner Einschätzung, dass das Publikum es gut fand. was blieb ihnen anderes übrige, sie hatten viel für die Tickets gezahlt. Verdammt viel. Da kann man sich nicht einfach von einer gruseligen Vorstellung des Hauptactes die gute Laune vermiesen lassen.
Doch bevor ich hier alles niedermache. Es verdient ein Bienchen, dass Meat Loaf sich über zweieinhalb Stunden durch die Show quält. Er schenkt sich und seinem Körper nichts.Doch der will nicht mehr, brüllt ein nicht zu überhörendes „Stop right there“ aus sich hinaus.
Auch die Idee im zweiten Act des Abends sein Milllionen-Bestseller-Album „Bat out of Hell“ komplett durchzuspielen, war grandios. In der Theorie. Doch all die Einspielerchen. Diese Homage alter Wegefährten wie Jim Steinman oder Ellen Foley an den großen Barden. Es wirkte wie eine 80er-Jahre-Retro-Show im Fernsehen. Wie ein Requiem auf einen längst von uns gegangenen Künstler. It just wont‘ quit.
Doch mal ehrlich, was sollte der Unsinn mit der Trikolore am Ende? Ei8en Gitarre in schwarz-rot-Gold? Das überdimensional eingeblendete Banner. Selbst die drei hinter ihm aufgestellten Hocker waren fein säuberlich in den Farben der Lützower Jäger und des Hambacher Festes gehalten. This ist not God’s own Country, sondern Good ol‘ Germany. Mit Hurra-Patriotismus a la Star spangeld Banner haben wir es nicht so.
PS.: Anderen hat es gefallen. Mir nicht. Und jedesmal, wenn ich jetzt eine CD im Auto einlege, habe ich das Bild eines Mannes vor Augen, der nicht wusste, wann es Zeit war, aufzuhören.