Mein Sofa, mein Stadion, mein Wohnzimmer

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Vorfreude, schönste Freude … Aber mal ehrlich, von WM-Fieber war lange Zeit nix bei mir zu spüren. Mehr so im Gegentum. Es ging mir auf die Nerven das ganze Vorgeplänkel, dieses kadereske Streichorchester. Dieses Kaffeesatzleserei nach den vielen mehr oder weniger sinnvollen Testspielen. All diese aufgebauschten Hiobsbotschaften und nicht enden wollenden Katastrophen. Hier ein Pickel aufgeplatzt, dort ein Fingernagel gebrochen, dazu der gemeine Haarspliss. Flankiert von all diesen astrologierenden Astrologen. Gähn. Langweilig.

Doch Dienstag morgen war es dann soweit. Ich verspürte es dieses gewisse Kribbeln.Zunehmend mehr wurde ich ballaballa. Und schuld daran war ein eher profaner Gebrauchsgegenstand. Ein ganz herkömmliches Möbelstück – ein Sofa!

Der geneigte Leser – so er denn meine Wenigkeit ein wenig kennt –  ahnt es bereits, ich will hier jetzt nicht als Stilikone oder Wohnberater auftreten, sondern einmal mehr meiner rot-weißen Ader frönen. Besagtes Mobiliar musste sich einem Mobilitätstest unterziehen. Aus dem fernen Wedding galt es ihn fortzubewegen und in Köpenick ein neues Zuhause zu geben. Denn dort, im Ballhaus des Ostens, harrten Seinesgleichen. Gemeinsam wollten sie – besessen von ein paar Verrückten – König Fußball huldigen, der dort allabendlich über eine überdimensionale Leinwand flimmern sollte.

Hey, das wird ein Spaß werden, dachte ich noch bei mir, ehe ein Blick auf den Wecker meine Laune vergällte. 6.30 Uhr? Wtf? Warum nur tue ich mir das an.? Der Morgenschlaf war mir heilig als echtem Nachtschattengewächs. Ich ward doch ein Arbeiter der Stirne, und nicht der Faust. Ich dichtete und denkte Zeit meines Lebens in den dunklen Abendstunden. Ob nun im Studium oder in den Redaktionsstuben. Was nur um Himmels Willen hatte mich das vergessen machen? Welche Fieberwahn hatte sich meiner bemächtigt. Hätte ich nicht schön und gemütlich in meiner Stampe? So völlig stressfrei ohen Plackerei! Aber ne, musste schon was Besonders sein für den feinen Herrn. Und nun hatte ich den Salat, saß mit meinem Kumpel Svenni noch vor dem Aufstehen in der M13  und strebte der baldigen Ex-Heimat der guten alten Couch  entgegen. Denn diese wurde mir als Dauerleihgabe von einem Bekannten überlassen, der sich häuslich zu verändern gedachte und der alte Weggefährte spielte darin keine Rolle mehr.

Kam mir zupass.

Soweit die Theorie. Nun gut, die Zeit hatte ich ja schon erwähnt. Die Temperaturen auch? Nicht? Sie sollten sich daran erinnern. It was hot, damned hot. Und meine Laune stieg umgekehrt proportional zum guten alten Quecksilberthermometer an. Von der Stirne heiß, rinnen tat der Schweiß. Tröpfchen für Tröpfchen Qualität. Kommt doch von Quälen, oder? Es war nur ein  Sofa. Eins. Nicht mal übermäßig Und auch nur der zweite Stock. Doch es langte. Möbelpacker werde ich in meinem weiteren leben nicht mehr. So viel steht fest. Muss noch erwähnt werden, dass die Stadtautobahn auch noch mit dichten Verkehr aufwartete. Nicht nur der Motor geriet zunehmend ins Kochen. Die Zeit drängte zudem, da meine freundlichen Begleiter noch ihrer Arbeit entgegenstreben mussten.

Doch für all die Unbill ward man entschuldigt, als die gerentete Robbe dann sanft im Stadion an der Alten Försterei einrollte. Geschäftiges Treiben. Hektisches Kabelgezerre. Monitorcheck. Es war alles in vollem Gange. All die kleinen Couchtischchen. Nüdelich. Die weißen Lampenschirme. Entzückend, um es mit Kojak zu sagen.  Ein Tapete an den Traversen, die ich nicht einmal in den 50er Jahren mein Eigen hätte nennen mögen. Fast schon eine Persiflage eines Wohnzimmers.  das sollte gefährlich sein? Oha. Welch abgrundtiefer Verrat an der Fankultur, diesen Gralshütern der rollenden Kugel. Welch ein Dolchstoß in den Rücken der selbsternannten Avantgarde.

Doch egal. Ich war da. Mittendrin. Schweißgebadet, aber glücklich lag ich auf meiner Couch. Zum Teufel mit all denen, die uns diesen Spaß nicht gönnen wollen. Zur Hölle mit denen, die den Untergang des Abendlands und den Niedergang der Fankultur angesichts des kommerziellen Events in ihrem Wohnzimmer beschrieen. Selber mal Emotionen respektieren!  Wer sich an andere Leute Eigentum vergreift und ihnen den Spaß nicht gönnt, sollte sich einmal selber hinterfragen. Ich jammer‘ doch auch nicht rum, wenn bei Rückstand mal wieder völlig Spiel unbezogen gegen Stadionverbote angesungen wird.  Ich brülle auch nicht bei jedem Bengalo Zeter und Mordio.

Hier würde ich sitzen. Zusammen mit all den anderen Eisernen. Und Gästen. Es war nicht Union. Aber artverwandt. Und Fußball. Besonderer Fußball sogar. Und wo kuckt man das am besten? Eben! In einem Stadion und nicht auf verfickten Fanmeile am Fifa-Brandenburg-Gate oder wie immer das Ding dann auch heißen mag.

Schweißgebadet saß ich dann da. Tropfnass.Angeschmiegt an ein braun-beiges Etwas, dass in seiner Hässlichkeit an nasskalte Frühlingstage erinnerte. Aber das war egal. Meins. Drin. Zufrieden seufzet Bunki klein, hier bin ich Fan, hier darf ich’s sein. Mögen die Spiele beginnen.